Wir gestalten den Prozess zeitlich bei allen Berufen identisch. Aufgrund der vielen Lehrstellenanfragen anfangs der Sommerferien, vor allem durch Interessierte am FaGe-Beruf, schalten wir alle Lehrstellen seit zwei Jahren erst Mitte Juli auf. So können die Schüler:innen die Ferienzeit nutzen, um die Bewerbung vorzubereiten. Hier weichen wir also minim von einem Eckwert des Commitments ab (siehe Artikel «Commitment der Verbundpartner zur Lehrstellenvergabe»). Die Dossiers sichten wir aber erst ab August und laden im Anschluss zu Bewerbungsgesprächen ein. Der zeitliche Druck war immer nur bei den FaGe’s vorhanden, bei allen anderen Berufen reicht eine Stellenausschreibung ab August. Zusagen kann es teilweise bereits im August geben, Lehrverträge stellen wir ab September aus.
Nein, wir haben unsere Rekrutierungspraxis nicht adaptiert. Die Grundsätze des Commitments haben uns eher in unserem Vorgehen bestärkt, das wir schon davor verfolgt haben. Der Lehrplan 21 und die damit verbundene frühe Einschulung unterstreichen deutlich, dass es wenig Sinn macht, die Rekrutierung früher zu starten. Die Schulabgänger:innen sind sehr jung, sie müssen sich genügend mit dem Berufswahlprozess und den eigenen Vorstellungen, Bedürfnissen und Interessen beschäftigen können.
Das Commitment hilft, dass die Schulabgänger:innen nicht zu früh und in einer Stresssituation eine Entscheidung fällen müssen. Wenn sie sich dann aber für einen Beruf oder ein Berufsfeld entschieden haben, macht es durchaus Sinn, in verschiedene Versorgungsgebiete (FaGe) oder Branchen (KV) hineinzuschnuppern.
Aus Sicht des Spitalzentrums Biel gibt es keine Nachteile, da wir seit längerem auf ein ähnliches Vorgehen setzen. Das Commitment könnte aber Nachteile haben, wenn sich andere Lehrbetriebe in der gleichen Region nicht daranhalten. Dann entsteht eine sehr ungute Dynamik, und man ist als Betrieb allenfalls plötzlich im Nachteil. Wenn alle mitziehen, profitieren alle davon.
Was unsere Region bereits sehr gut macht, ist das Zusammenspannen der Betriebe mit den Volksschulen. Betriebe gehen teilweise direkt in die Klassen und stellen sich vor. Dabei gibt es die Möglichkeit, Teile des Bewerbungsprozesses zu üben. Solche Anlässe sind auch mit Elternabenden kombiniert, damit auch die Eltern einen Einblick erhalten und direkt mit Betrieben in Kontakt kommen. Diese enge Verzahnung von Schule und Arbeitsmarkt ist sinnvoll und wichtig, für alle Beteiligten.
Bei uns im Spitalzentrum gestalten wir zudem den Prozess so, dass nach einem ersten Gespräch ein «Probearbeiten» im Betrieb organisiert wird. Es ist wichtig, dass die berufliche «Realität» ein erstes Mal sicht- und spürbar wird. Nach diesem Einblick in den Betrieb wird die Vertragsunterzeichnung im Spitalzentrum Biel, zusammen mit den Eltern, vorgenommen. Wir wollen aufzeigen: auch sie haben eine wichtige Rolle.
Um eine seriöse Rekrutierung zu gewährleisten, braucht es zeitliche und personelle Ressourcen. Es ist wichtig, diesen Prozess sinnvoll zu gestalten, um eine möglichst hohe Passung zu erreichen. Mit Schnupperangeboten gilt es, interessante und realitätsnahe Berufseinblicke zu ermöglichen. Diese Investition lohnt sich, um Fachkräfte zu finden und sie über die Lehre hinaus im Betrieb zu halten. In den letzten Jahren hat sich bei uns ferner bewährt, nach Vertragsabschluss mit den künftigen Lernenden möglichst in Kontakt zu bleiben. Circa im Mai laden wir alle Lernenden für ein erstes Kennenlernen-Treffen ein.
Beitragsbild: Spitalzentrum Biel (zvg)