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13. Februar 2024

Finanzielle Situation der Spitäler

Spitalzentrum Biel

Kristian Schneider: «EFAS ist ein erster Schritt, aber weitere müssen folgen»

«EFAS alleine reicht nicht aus, um die erwünschte Ambulantisierung zu erreichen. Dies wird nur mit kostendeckenden Tarifen gelingen», sagt Kristian Schneider, CEO des Spitalzentrums Biel.
Competence Martina Greiter

Autorin

Martina Greiter

Redaktorin Competence deutsche Schweiz

martina.greiter@hplus.ch

Herr Schneider, H+ spricht von einer Unterfinanzierung im ambulanten Bereich von 30 Prozent und stationär sind es 10 Prozent. Wie geht das Spitalzentrum Biel mit dieser Herausforderung um?

Competence hat Kristian Schneider, CEO des Spitalzentrums Biel, zu seinen Strategien im ambulanten Bereich befragt (Foto: Marco Zanoni).

Wohlwissend, dass sich eine Unterfinanzierung im Umfang von 30 Prozent nicht von heute auf morgen beheben lässt (siehe H+ Positionspapier), haben wir die Strategie gewählt, die ambulanten und stationären Prozesse örtlich zu trennen. Unser Ziel ist es, dereinst alle unsere ambulanten Leistungen ausserhalb des Spitals zu erbringen, ohne aber das Spital mit seinem spezifischen Leistungsangebot zu schwächen.

Welche Auswirkungen stellen Sie bisher fest?

Die räumliche Trennung der beiden sehr unterschiedlichen Prozesse hat dazu geführt, dass sie sich nicht mehr unnötig gegenseitig beeinflussen. Seit wir begonnen haben, unsere ambulanten Leistungen in Räumlichkeiten beim leicht erreichbaren Bahnhof Biel anzusiedeln, können die Mitarbeitenden viel konzentrierter innerhalb des ambulanten Prozesses arbeiten und wir sind insgesamt effizienter geworden.

Inwiefern hat der Prozess zu einem Ausbau der ambulanten Leistungen geführt?

Fast in allen ambulanten Bereichen ist eine Leistungsausbau festzustellen. Die Gründe hierfür sind einerseits der erhöhte Bedarf seitens der Bevölkerung und natürlich der einfache Zugang am Bahnhof. Je mehr Fachbereiche am gleichen Ort angeboten werden, desto besser ist die Zusammenarbeit zwischen diesen. Die nächste Generation an Ärzt:innen fühlt sich sehr wohl in einer Umgebung, in der sie konzentriert arbeiten kann. Innerhalb des immer wieder gleichen Prozesses arbeiten die Ärzt:innen effizienter als bisher. Ferner versuchen wir sie in verschiedenen Bereichen am Erfolg der ambulanten Zentren zu beteiligen. Auch dies hat dazu geführt, dass die Ärzt:innen ökonomischer arbeiten. In den meisten ambulanten Bereichen haben wir eine Produktivitätssteigerung von 30 bis 100 Prozent erreicht. Ein Beispiel: In einem Fachbereich im Spital haben Ärzt:innen früher 12 bis 15 Patient:innen pro Tag betreut und jetzt sind es 25, was natürlich die finanzielle Bilanz verbessert hat.

In den meisten ambulanten Bereichen haben wir eine Produktivitätssteigerung von 30 bis 100 Prozent erreicht.

Dann geht die Rechnung also trotzdem auf?

Sagen wir es so, die Rechnung geht besser auf. Der Aufbau einer entsprechenden ambulanten Betreuungsplattform erfordert aber beträchtliche Investitionen. Wenn wir die Betriebskosten betrachten, können wir fast kostendeckend arbeiten. Es ist aber schwierig, die notwendigen Investitionen zu finanzieren. Die bis zu 30 Prozent Unterfinanzierung können wir mit Effizienz nicht aus der Welt schaffen. Noch schwieriger ist dies in Bereichen, die heute fast ausschliesslich im ambulanten Bereich angesiedelt und deswegen stark unterfinanziert sind. Hier hilft auch eine Prozesstrennung wenig, so insbesondere in der Kindermedizin oder auch in gewissen therapeutischen Bereichen wie der Logopädie, die mit den aktuellen Tarifen einfach nicht kostendeckend arbeiten können.

Die Spitäler und Kliniken haben erst dann einen realen Vorteil von EFAS, wenn auch die Tarife im ambulanten Bereich kostendeckend ausgestaltet sind.

Die Spitäler können also nur teilweise Gegensteuer geben?

Es ist eine ausreichende Spitalgrösse notwendig, um möglichst flächendeckend Prozesse örtlich zu trennen und dadurch alle gegenseitigen Störfaktoren auszuschliessen. Ein Spital muss also in allen Fachbereichen über ausreichend grosse Teams verfügen, um jeweils an zwei Orten effizient und sicher arbeiten zu können. Das ist eine Herausforderung für mittelgrosse Spitäler wie das Spitalzentrum Biel.

Mit der Einreichung des kohärenten Tarifsystems aus ambulanten Pauschalen und TARDOC beim Bundesrat sowie mit der Annahme von EFAS sind nun wichtige Weichen gestellt. Reicht dies aus, um den ambulanten Bereich mittel- bis langfristig kostendeckend zu gestalten?

Damit im ambulanten Bereich kostendeckend gearbeitet werden kann, muss der Tarif entsprechend ausgestaltet sein. EFAS kann dann helfen, dass die Spitäler und Kliniken stationäre Leistungen vermehrt in den ambulanten Bereich verlagern. Der Hauptnutzen von EFAS wird darin bestehen, dass die Kantone und die Krankenversicherer im Unterschied zu heute beide dasselbe Interesse haben werden, die Ambulantisierung zu fördern. Das ist ein wichtiger erster Schritt.

EFAS bringt den Leistungserbringern also bis jetzt grundsätzlich noch keinen Vorteil?

Die Spitäler und Kliniken haben erst dann einen realen Vorteil, wenn auch die Tarife im ambulanten Bereich kostendeckend ausgestaltet sind.

EFAS ist eine Chance, um danach den dringend notwendigen nächsten Schritt zu machen.

Werden die Tarife erhöht, schlagen diese auf die Prämien durch, argumentieren die Versicherer. Wie gehen Sie mit dem Zielkonflikt kostendeckende Tarife versus «bezahlbare» Prämien um?

Nehmen wir das Beispiel einer Schulterarthroskopie, die stationär durchgeführt rund 7000 Franken und ambulant ca. 40 Prozent weniger kostet. Für das Spital ist die aktuelle Vergütung aber nicht kostendeckend. Wenn nun also solche ambulanten Leistungen gut bezahlt und die stationären Leistungen etwas günstiger werden, dann kommt es bei einer einheitlichen Finanzierung nicht zu einer Prämienerhöhung. Nur mit einer solchen Verlagerung der Preise wird es möglich sein, dass sich das ambulante Geschäft durchsetzt. Die schon seit Jahren bestehende Unterfinanzierung muss unabhängig von EFAS behoben werden. EFAS ist aber eine Chance, um danach den dringend notwendigen nächsten Schritt zu machen.

Beitragsbild: Das Spitalzentrum Biel (SZB) bietet seit Anfang 2024 rund um den Bahnhof Biel weitere Sprechstunden und Untersuchungen an (zvg).

   

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