SG: Mit den «Patient Reported Outcome Measures» PROMs, die etwas bekannter sind, und jetzt zunehmend auch mit PREMs, wird aus meiner Sicht das Qualitätsverständnis aus einer Patientenperspektive komplettiert. Das hat einen grossen Einfluss auf die Behandlungsergebnisse. Gegenüber den Patientenzufriedenheitsbefragungen haben PREMs den grossen Vorteil, dass sie eher objektive Auswirkungen auf die Patientenerfahrung messen. Das sind sehr wichtige Informationen für Spitäler, aber auch für Patient:innen, wenn sie denn dafür zugänglich sind, um z. B. Institutionen zu vergleichen.
GB: Patientenzufriedenheitsbefragungen sind aus unserer Sicht, wie teilweise in der Literatur beschrieben, eine Unterkategorie von PREMs. Die Abgrenzung ist nicht einfach. Es ist ein fliessender Übergang und diese sehr akademisch geprägte Diskussion scheint mir nicht immer zielführend zu sein. Ich bin mit Frau Gedamke einverstanden, dass PREMs den Objektivitätsgrad erhöhen, aber nichtsdestotrotz bleiben die Ergebnisse subjektiv. Denn wenn ein Patient z. B. einen starken Einbezug in die Therapie erwartet und ein anderer gar keine Erwartungen hat, dann nehmen beide das gleiche Mass an Einbezug unterschiedlich wahr. Die Messergebnisse sind also trotz mehr Objektivität immer noch zu einem hohen Grad subjektiv.
SG: Ihrer Kritik an der übertrieben akademischen Diskussion stimme ich vollkommen zu. Ja, es wird teilweise suggeriert, dass mit PREMs Wahrnehmungen objektiviert werden können. Aus meiner Sicht ist es aber eher vorteilhaft, wenn noch eine gewisse Subjektivität enthalten ist. Denn Patientenerfahrungen sind per se immer subjektiv. Es ist daher wichtig zu dokumentieren, ob es Erfahrungen gibt, die häufiger als bisher vorkommen und wenn ja, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind, ohne aber zu behaupten, dass diese repräsentativ sind.
Es ist wichtig zu dokumentieren, ob es Erfahrungen gibt, die häufiger als bisher vorkommen und wenn ja, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind, ohne aber zu behaupten, dass diese repräsentativ sind.
Susanne Gedamke
AS: Die Ergebnisse geben Hinweise darauf, welche Qualitätsverbesserungen notwendig bzw. möglich sind. Daher können auch einzelne Rückmeldungen sehr wichtig sein. Wir nehmen jede Rückmeldung ernst, analysieren sie und passen bei Bedarf die Prozesse an.
GB: Wir messen sie seit Jahren und in allen Fachbereichen. Dies geschieht einerseits als klassische Zufriedenheitsmessung. Andererseits messen wir beispielsweise, wie stark sich die Patient:innen in die Behandlungen einbezogen fühlen oder wie sie den Informationsfluss zwischen den Teams und das Austrittsmanagement wahrnehmen. Wir werten die Daten monatlich aus, stellen sie allen Mitarbeitenden zur Verfügung und analysieren sie mit dem Kader. Wenn nötig treffen wir entsprechende Massnahmen.
Wir messen PREMs seit Jahren und in allen Fachbereichen.
Dr. Gavin Brupbacher
GB: Via Tablets in einer anonymisierten Onlinebefragung zusammen mit den Austrittsmessungen des Nationalen Vereins für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken ANQ. In den letzten Jahren haben wir so monatlich eine Rücklaufquote von je nach Fachbereich 60 bis 85 Prozent erreicht. Dank dieser kontinuierlich hohen Rücklaufquote sind die Messungen als Monitoring-Instrument nützlich.
Wesentlich ist weiterhin die von den Patient:innen wahrgenommene Qualität der therapeutischen Beziehung und Behandlung. Diese erfragen wir im persönlichen Kontakt und erhalten differenziertere Antworten als bei der Onlinebefragung.
Dr. med. Anke Schneiders
AS: Jedoch bilden diese Zahlen zwar einen relevanten Anteil der Patientenerfahrungen ab, aber sie erfassen nicht alle Qualitätsdimensionen. Wesentlich ist weiterhin die von den Patient:innen wahrgenommene Qualität der therapeutischen Beziehung und Behandlung. Diese erfragen wir im persönlichen Kontakt und erhalten differenziertere Antworten als bei der Onlinebefragung. Diese Befragung findet am Ende der Behandlung und somit unter Einfluss der Rückkehr in die sozialen Bezüge statt, die für die meisten Patient:innen eine emotionale Herausforderung darstellt.
AS: Wir haben das Austrittsmanagement neu gestaltet, damit sich die Patient:innen besser vorbereitet fühlen. Andere konkrete Prozessanpassungen sind in Überlegung, so bei der Medikationsaufklärung, immer mit dem Ziel die Patientenzufriedenheit zu erhöhen und im Endeffekt auch den Outcome messbar zu verbessern.
GB: Wichtig ist, wie die Messungen in einem Spital verankert sind. Unsere CEO hat diesbezüglich klare Zielvorgaben definiert. Zudem braucht es validierte und breit eingesetzte Instrumente, die einen Benchmark ermöglichen. Der ANQ testet aktuell in Pilotmessungen den Swiss PREMs-Fragebogen, der national zum Einsatz kommen soll – eine sehr positive Entwicklung.
Der ANQ testet aktuell in Pilotmessungen den Swiss PREMs-Fragebogen, der national zum Einsatz kommen soll – eine sehr positive Entwicklung.
Dr. Gavin Brupbacher
SG: Der kulturelle Aspekt ist sicherlich wichtig. Ich finde es interessant, wie Sie im Spital Oberwaid Patientenorientierung umsetzen, weil ich Spitäler kenne, die sich nicht so stark mit dem Thema auseinandersetzen. Dies hat wohl auch mit der Kultur unseres Gesundheitswesens zu tun, wobei ich finde, dass diese von der Spitalleitung vorgeben und vorgelebt werden muss. Natürlich ist es aus Patientensicht wünschenswert, dass eine solche Kultur flächendeckend umgesetzt wird. So fühlen Patient:innen sich ernst genommen und hätten die Möglichkeit, Vergleiche zwischen Spitälern zu ziehen und zwar ohne dass einzelne Spitäler an den Pranger gestellt werden.
GB: Aus meiner Sicht sind PREMs und PROMs nicht dazu gedacht, Rankings zu erstellen. Der ANQ hat hierzu ein Whitepaper mit Empfehlungen veröffentlicht.
SG: Wir befragen in regelmässigen Abständen Patient:innen, welchen Bedarf sie bei der Messung von Qualität feststellen. Ebenfalls binden wir Langzeitpatient:innen in Gremien und Projekte mit ein, lassen sie Projekte mitentwickeln und schicken sie in Kommissionen oder auch in Spitäler zur Mitarbeit in Sounding Boards. Zudem unterstützen wir Projekte, die Tools zur Verfügung stellen, die beispielsweise in anderen Ländern schon etabliert sind. Ein Beispiel dafür ist die PaRIS-Umfrage (siehe BAG-Artikel «Die Patientenstimme zur Behandlung»).
Ich möchte unsere «Patient Public Involvement»-Plattform erwähnen, welche die SPO im Auftrag des Bundes aktuell aufbaut: Hier können sich Patient:innen und Angehörige sowie Gesundheitsfachpersonen registrieren, um sich miteinander zu vernetzen und zusammenzuarbeiten.
Susanne Gedamke
Ebenfalls wichtig sind sektorenübergreifende Erhebungen, beispielsweise an der Schnittstelle zwischen Akutspital und Spitex, an denen wir mitwirken. Abschliessend möchte ich unsere «Patient Public Involvement»-Plattform erwähnen, welche die SPO im Auftrag des Bundes aktuell aufbaut: Hier können sich Patient:innen und Angehörige sowie Gesundheitsfachpersonen registrieren, um sich miteinander zu vernetzen und zusammenzuarbeiten.
Beitragsbild: Canva.com