Um zukünftigen Herausforderungen wie dem Fachkräftemangel zu begegnen, müssen personelle und finanzielle Ressourcen im Gesundheitswesen effizient eingesetzt werden. Eine wesentliche Massnahme ist, sektorengleiche Behandlungen aus dem stationären in den ambulanten Bereich zu verlagern.
Im Vergleich zu Ländern wie Dänemark und dem Vereinigten Königreich erfolgt dies in der Schweiz und Deutschland jedoch noch zu selten.¹ In anderen Ländern fördern sektorengleiche Entgeltsysteme diese Verlagerung.² In der Schweiz und Deutschland wird daran gearbeitet, die Vergütungssysteme anzugleichen (z. B. TARDOC, Hybrid-DRG), aber insbesondere in Deutschland bleibt die Verschiebung in den ambulanten Bereich defizitär.
Kliniken benötigen daher eine grundlegende Überarbeitung ihres ambulanten Geschäftsmodells. Welche Schritte und Aspekte dabei relevant sind, haben wir anhand bestehender Literatur und Experteninterviews³ analysiert⁴ und die wesentlichen Ergebnisse im Folgenden zusammengefasst.
Wichtig ist hervorzuheben, dass es je nach Ausgangslage – baulicher Zustand, regionale Versorgungsstruktur, Investitionsmittel der Spitäler – nicht die eine richtige Vorgehensweise gibt.
Der erste Schritt umfasst die Bestandsaufnahme ambulanter und stationärer Leistungen sowie die Erhebung von Kosten- und Leistungsdaten. Dies ermöglicht, Indikationen mit niedrigem Schweregrad zu identifizieren und in die ambulante Versorgung zu verlagern, insbesondere bei hoher patientenseitiger Nachfrage.
Freiwerdende stationäre Kapazitäten können für komplexere Fälle genutzt werden. Auf Basis des bestehenden Angebots und des Ambulantisierungspotenzials wird das zukünftige ambulante Leistungsangebot festgelegt, inklusive möglicher Kooperationsmodelle mit regionalen Versorgungsakteuren.
Aufbauend auf der Angebotsstrategie lassen sich zwei unterschiedliche Raum- und Funktionskonzepte ableiten:
Hohe Fallzahlen und standardisierte Abläufe sind nötig, um OP-Kapazitäten möglichst auszulasten und so die durchschnittlichen Fixkosten zu senken. Eine klare Arbeitsteilung sorgt dafür, dass Ärzt:innen mehr Zeit am Patienten, an der Patientin verbringen. KI-Tools können z. B. bei Befundberichten administrative Aufgaben minimieren, indem sie Gespräche transkribieren.
Ein effektives Schnittstellenmanagement, z. B. durch eine digitale Patientenakte, ermöglicht es, Behandlungsdaten sowohl spitalintern als auch mit externen Leistungserbringern reibungslos auszutauschen.
Das «Mindset» des Personals ist zentral für eine erfolgreiche Ambulantisierung. Höhere Standardisierung und Taktung erfordern effizientes Zeitmanagement. Anders als im stationären Bereich, wo ein fixes Gehalt gezahlt wird, ist die Vergütung im ambulanten Bereich oft umsatz- und fallzahlenabhängig.
Beispielsweise werden Anästhesist:innen pro Narkose vergütet, was zu höherer Einsatzbereitschaft führt. Zudem zeichnet sich der Betriebsinhaber i. d. R. durch Unternehmergeist, hohe Eigenverantwortung und Risikobereitschaft aus. Aufgrund dieser Unterschiede empfiehlt es sich, ambulante und stationäre Tätigkeiten klar voneinander zu trennen und stationäre Mitarbeitende nicht parallel im ambulanten Bereich einzusetzen.
Der Erwerb einer ambulanten Praxis oder eines Ambulatoriums kann zusätzliche Einnahmen generieren. Die Vergütung ambulanter Leistungen ist unabhängig vom Standort gleich, aber Kosten können durch standardisierte Prozesse oder Standortverlagerungen gesenkt werden. Ambulante Praxen gelten oft als Cashcows, da selektierte Patient:innen und effiziente Prozesse hohe Fallzahlen ermöglichen. Dies hängt jedoch vom Fachbereich und Engagement des Inhabers ab.
Kooperationen mit ambulanten Einrichtungen sichern Zuweiserströme für die stationäre Versorgung. Wichtig ist, dass die Ambulantisierung komplexere Leistungen im Spital ergänzt, ohne in Konkurrenz zur niedergelassenen Ärzteschaft zu treten. Kooperationen zwischen Spitälern helfen, Patient:innen je nach Komplexität in die passende Einrichtung zu leiten.
Zentrumsspitäler behandeln komplexe Fälle, während einfache Fälle in kleineren Spitälern betreut werden. Franchise-Modelle, bei denen Ärzt:innen teilweise in kleineren Spitälern angestellt sind, ermöglichen eine bessere Koordination der Patient:innen und erhöhen die Effizienz beider Spitaltypen.
Um ambulante Behandlungen wirtschaftlich durchzuführen, müssen Spitäler ihr Geschäftsmodell anpassen. Auf Basis einer Bestandsaufnahme des gesamten Leistungsgeschehens gilt es, eine passende Angebotsstrategie zu erarbeiten, welche das künftige Raum- und Funktionskonzept, standardisierte digitale Prozesse, den Personaleinsatz und eine Kooperationsstrategie definiert.
Um die Ambulantisierung weiter voranzutreiben, müssen die Vergütungssysteme auf Systemebene so angepasst werden, dass stärkere finanzielle Anreize zur Leistungsverlagerung in den ambulanten Bereich geschaffen werden. Erfolgreiche Ambulantisierung ist nur umsetzbar, wenn ambulante Leistungen wirtschaftlich tragfähig vergütet werden, um strategische Zielkonflikte zu minimieren (siehe Stellungnahme von H+ nach der Annahme der einheitlichen Finanzierung (EFAS) durch die Schweizer Stimmbevölkerung).
1OECD/European Union (2022). Health at a Glance: Europe 2022: State of Health in the EU Cycle, OECD, Paris.
2 Schreyögg, J., Milstein, R. (2021): Identifizierung einer initialen Auswahl von Leistungsbereichen für eine sektorengleiche Vergütung. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit.
3Es wurden fünf Expert:innen aus der Schweiz und Deutschland befragt, die ambulant und stationär verschiedene Versorgungsstufen repräsentieren.
4Spinner, G et al. (2023). Operative Umsetzung der ambulanten, stationsersetzenden Versorgung in Krankenhäusern, Studie im Auftrag der Rhön Stiftung, Bad Neustadt.
Beitragsbild: Ambulantes Operationszentrum im Kantonsspital Zug (© Zuger Kantonsspital AG).