Die Schweizer Spitallandschaft ist in eine finanzielle Schieflage geraten. Die Situation ist derart alarmierend, dass gewisse Kantone erste Rettungsringe auswerfen. Diese dürften die Schweizer Steuerzahlenden jährlich über eine Milliarde Franken kosten. Welche Ursachen diese finanzielle Krise hat und was die Kantone tun könnten, damit systemrelevante Spitäler überleben, hat das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen PwC Schweiz im Positionspapier «Spitäler in Schieflage» zusammengefasst.
Rettungsschirme sind keine langfristige Lösung. Daher braucht es bessere Rahmenbedingungen wie die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen, angemessene Tarife, geringere regulatorische Auflagen und mehr Fokus auf Qualität.
Philip Sommer, Partner und Leiter Beratung Gesundheitswesen, PwC Schweiz
Die aktuelle Krise ist struktureller Natur und über Jahre entstanden. Arbeitskräftemangel, Ambulantisierung und Digitalisierung setzen die Spitäler finanziell zunehmend unter Druck. Der Effekt verschärft sich durch Inflation, Energiekrise und Lohnforderungen. Die Tarife gehen mit diesen Entwicklungen nur zögerlich mit. Im stationären Bereich passen sie sich bisher zu wenig oder gar nicht an die Inflations- und Kostenentwicklung an. Das Resultat ist eine chronische Unterfinanzierung.
Seit Anfang 2022 beschleunigt sich die Strukturbereinigung der Schweizer Spitallandschaft. Eine gewisse Konsolidierung ist richtig und systembedingt gegeben. Auf der einen Seite ist ohne Rettungsaktionen die Versorgung gefährdet. Auf der anderen Seite kann ein unkoordiniertes Vorgehen den Wettbewerb verzerren und zu nicht gerechtfertigtem Strukturerhalt führen. Die derzeitigen Rettungsaktionen erreichen enorme Beträge. In Zürich musste das Kinderspital mit 135 Millionen Franken gestützt werden, Bern plant einen Rettungsschirm und in der Westschweiz werden die Defizite ausfinanziert. Diese Beispiele zeigen die grosse Divergenz im Umgang mit der finanziellen Krise.
PwC Schweiz untersucht die finanzielle Situation von Spitälern seit vielen Jahren im Rahmen einer jährlichen Studie. Dabei zeigen drei Leistungskennzahlen besorgniserregende Werte: Für die Profitabilität eines Spitals ist eine EBITDAR-Zielmarge von wenigstens 10 Prozent angezeigt.
«Erwartet wird, dass kaum ein Spital in der Stichprobe für das Jahr 2023 die Mindestanforderung erreichen wird. Schon im Jahr 2022 lag die Eigenkapitalquote als Kenngrösse für finanzielle Stabilität unter 30 Prozent, bei 43 Prozent der untersuchten Spitäler, Tendenz sinkend», erklärt Patrick Schwendener, Leiter Deals Gesundheitswesen, PwC Schweiz.
Seit 2020 weisen Schweizer Spitäler sinkende Liquiditätsgrade auf. Das zeugt von einer ungenügenden Liquiditätsausstattung, schlechter Geschäftsentwicklung oder einer ausbleibenden Refinanzierung über den Kapitalmarkt.
Die angespannte finanzielle Situation stellt die Kantone vor die schwierige Aufgabe, zwischen Soforthilfe und Konsolidierung zu entscheiden. Als Schlüsselargument für Rettungspakete empfiehlt PwC die Systemrelevanz. Eine Einrichtung ist dann systemrelevant, wenn ihre Schliessung das Gesundheitssystem innerhalb der Region substanziell beeinträchtigt.
Den Kantonen gibt PwC ein umfassendes Instrumentarium an die Hand. Für dessen Anwendung gilt, dass die Kantone objektiv und eigentümerneutral für jedes hilfesuchende Spital entscheiden und volle Transparenz bezüglich der ergriffenen Massnahmen gewährleisten. Das Instrumentarium reicht von Eigen- oder Fremdkapitalzuschüssen und Bürgschaft für Fremdkapital über die Abgeltung gemeinwirtschaftlicher Leistungen und sonstige Subventionen bis zur Übernahme eines Spitals durch ein anderes oder dem Auffangen der gewinnbringenden Teile eines Spitals in einer neuen Aktiengesellschaft.
PwC erachtet die vorgeschlagenen Instrumente als geeignet, um systemrelevante Spitäler kurz- bis mittelfristig zu stützen. Philip Sommer, Leiter Beratung Gesundheitswesen, macht jedoch deutlich: «Rettungsschirme sind keine langfristige Lösung. Wir müssten nicht darüber sprechen, wenn die Rahmenbedingungen so gesetzt wären, dass der Wettbewerb funktionieren könnte und effiziente Spitäler profitabel arbeiten könnten.» Sommer fordert darum bessere Rahmenbedingungen wie die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen, angemessene Tarife, geringere regulatorische Auflagen und mehr Fokus auf Qualität. In derart strukturellen Anpassungen sieht er das Potenzial, Anreize für eine integrierte, vernetzte Versorgung zu schaffen.
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