Qualitätsmessungen Erwachsenenpsychiatrie, Canva.com
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16. Oktober 2025

Erwachsenenpsychiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie

ANQ: Rückgang bei den Freiheitsbeschränkenden Massnahmen gegenüber dem Vorjahr

Im Jahr 2024 konnten die Schweizer Psychiatriekliniken die Symptome ihrer Patient:innen während des Klinikaufenthalts spürbar lindern. Der Anteil der Fälle mit mindestens einer Freiheitsbeschränkenden Massnahme ging gegenüber 2023 zurück. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie zeigt auch der Mehrjahresvergleich einen klaren Abwärtstrend.

Heute publizierte der ANQ die Ergebnisse der Qualitätsmessungen, die 2024 in allen Kliniken der Erwachsenen- sowie der Kinder- und Jugendpsychiatrie durchgeführt wurden. Diese Messungen untersuchen zum einen, wie sich die Symptome während der stationären Behandlung aus Sicht der Betroffenen und aus Sicht der Behandelnden entwickeln. Zum anderen erfassen sie den Einsatz von Freiheitsbeschränkenden Massnahmen.

Der Anteil der Fälle mit mindestens einer Freiheitsbeschränkenden Massnahme verzeichnete in der Erwachsenenpsychiatrie einen mittleren und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie einen starken Rückgang gegenüber 2023.

Erstmals wurde zudem eine Analyse zur Anwendung von Freiheitsbeschränkenden Massnahmen veröffentlicht, die statistisch belastbare Trends über mehrere Jahre aufzeigt.

Linderung der Symptome und weniger Freiheitsbeschränkende Massnahmen

Im Messjahr 2024 nahm die durchschnittliche Symptombelastung der Patient:innen bis zum Klinikaustritt ähnlich stark oder leicht stärker ab als 2023. Der Anteil der Fälle mit mindestens einer Freiheitsbeschränkenden Massnahme verzeichnete in der Erwachsenenpsychiatrie einen mittleren und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie einen starken Rückgang gegenüber 2023 (vgl. Detailangaben weiter unten).

Auch wenn Freiheitsbeschränkende Massnahmen in Notsituationen unumgänglich sein können, müssen sie zwingend auf das absolut notwendige Minimum reduziert werden.

PD Dr. med. Alexandre Wullschleger, Psychiater an den Hôpitaux universitaires de Genève (HUG) und Mitglied des ANQ-Qualitätsausschusses Psychiatrie

«Die 2024 beobachtete Abnahme bei den Freiheitsbeschränkenden Massnahmen ist erfreulich und gibt die Richtung vor», erklärt PD Dr. med. Alexandre Wullschleger, Psychiater an den Hôpitaux universitaires de Genève (HUG) und Mitglied des ANQ-Qualitätsausschusses Psychiatrie. «Auch wenn Freiheitsbeschränkende Massnahmen in Notsituationen unumgänglich sein können, müssen sie zwingend auf das absolut notwendige Minimum reduziert werden.» Die Freiheitsbeschränkungen dürfen nur angewendet werden, wenn eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung besteht und andere Massnahmen nicht wirken.

Die Analyse der Messjahre 2019 bis 2024 ergab für die Erwachsenenpsychiatrie einen statistisch signifikanten Aufwärts- und für die Kinder- und Jugendpsychiatrie einen statistisch signifikanten Abwärtstrend.

Freiheitsbeschränkende Massnahmen: Analyse der Messjahre 2019 bis 2024

Erstmals prüfte der ANQ die statistische Belastbarkeit der Mehrjahrestrends, die für den Einsatz von Freiheitsbeschränkenden Massnahmen berechnet wurden. Die Analyse der Messjahre 2019 bis 2024 ergab für die Erwachsenenpsychiatrie einen statistisch signifikanten Aufwärts- und für die Kinder- und Jugendpsychiatrie einen statistisch signifikanten Abwärtstrend. In der Erwachsenenpsychiatrie stieg die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fall von einer Freiheitsbeschränkenden Massnahme betroffen war, mit jedem Messjahr um durchschnittlich 1,3 Prozent. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie zeigte sich dagegen ein deutlicher Rückgang: Die Wahrscheinlichkeit für eine Freiheitsbeschränkende Massnahme sank mit jedem Messjahr um 11,8 Prozent.

Messergebnisse 2024 in der Erwachsenenpsychiatrie

  • Aus Sicht der Behandelnden erreichte die durchschnittliche Symptombelastung der Patient:innen auf einer Skala von 0 bis 48 einen Wert von 19,9 bei Klinikeintritt (2023: 19,6). Bis zum Austritt ging dieser Wert auf 11,6 zurück (2023: 11,6).
  • Aus Sicht der Patient:innen betrug der Eintrittswert durchschnittlich 74,3 (2023: 72,7) und der Austrittswert 43,4 (2023: 41,9) – dies auf einer Skala von 0 bis 212.
  • Der Anteil der Behandlungsfälle mit mindestens einer Freiheitsbeschränkenden Massnahme sank um 0,7 Prozentpunkte auf 8,4 Prozent (2023: 9,1). In 2,2 Prozent der Fälle mussten mehr als drei Freiheitsbeschränkende Massnahmen angewendet werden, in 2,7 Prozent der Fälle waren es zwei oder drei Massnahmen und bei 3,6 Prozent eine Massnahme. In 91,6 Prozent der behandelten Fälle wurden keine Freiheitsbeschränkende Massnahmen angewandt.

Messergebnisse 2024 in der Kinder- und Jugendpsychiatrie

  • Die Fremdbeurteilung durch die Behandelnden ergab auf einer Skala von 0 bis 52 einen durchschnittlichen Eintrittswert von 19,5 (2023: 19,2) und einen Austrittswert von 13,6 (2023: 13,3).
  • In der Selbstbeurteilung durch die Patient:innen erreichte die durchschnittliche Symptombelastung bei Eintritt einen Wert von 22,2 (2023: 22,4). Bis zum Austritt sank dieser Wert auf 15,3 (2023: 16,0). Die Skala reicht ebenfalls von 0 bis 52.
  • Der Anteil der Fälle mit mindestens einer Freiheitsbeschränkenden Massnahme sank um 1,3 Prozentpunkte auf 5,4 Prozent (2023: 6,7%). In 1,3 Prozent der Fälle mussten mehr als drei Freiheitsbeschränkende Massnahmen angewendet werden, in 1,4 Prozent der Fälle waren es zwei oder drei, und in 2,7 Prozent der Fälle wurde eine Massnahme eingesetzt. In 94,6 Prozent der behandelten Fälle wurden keine Massnahmen angewandt.

Die Messergebnisse für das Jahr 2024 sind auf dem ANQ-Webportal für jede Klinik einzeln abrufbar.

Wie im Vorjahr stellten affektive Störungen (z.B. Depressionen) die häufigste Hauptdiagnose dar.

Knapp 94 000 Behandlungsfälle ausgewertet

Für die ANQ-Messungen 2024 wurden rund 88 289 Behandlungsfälle in der Erwachsenenpsychiatrie (2023: 87 615) sowie 5676 Behandlungsfälle in der Kinder- und Jugendpsychiatrie (2023: 5070) ausgewertet. Wie im Vorjahr stellten affektive Störungen (z.B. Depressionen) die häufigste Hauptdiagnose dar.

Beitragsbild: Canva

   

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