Psychologische Nothilfe in der Schweiz – ein Überblick, Shutterstock
Competence Readtime4 min
8. April 2025

Background

Beispiele: Care Team Kanton Bern und Stiftung Carelink

Psychologische Nothilfe in der Schweiz – ein Überblick

Das Care Team Kanton Bern betreut unverletzte Betroffene sofort nach Ereignissen, vor allem im öffentlichen Raum. Das Care Team der Stiftung Carelink kommt in Institutionen wie Spitälern zum Einsatz.
Competence Martina Greiter

Autorin

Martina Greiter

Redaktorin Competence deutsche Schweiz

martina.greiter@hplus.ch

Die Interventionen der psychologischen Nothilfe sind immer mit einem Ereignis verknüpft und zeitlich in eine primäre, sekundäre und tertiäre Präventionsphase gegliedert (siehe Grafik). Das Care Team Kanton Bern sowie die Stiftung Carelink sind meist in der sekundären Präventionsphase aktiv. Fachpersonen wie Psychotherapeut:innen oder Seelsorgende kommen in der tertiären Phase zum Einsatz. In der primären Präventionsphase sind Ausbildungen und Schulungen für Einsatzkräfte oder Informationen zur psychologischen Nothilfe anzusiedeln.

Präventions- und Einsatzkonzept in der Psychologischen Nothilfe

Grafik: Nationales Netzwerk Psychologische Nothilfe (NNPN)

Betreuung durch Care Teams

Das Care Team Kanton Bern wird durch Mitarbeitende der Rettungsdienste oder der Kantonspolizei alarmiert. Anschliessend bespricht das Einsatzteam mit der Einsatzleitung, wer ausrückt und ob zusätzliche Mitglieder aufgeboten werden müssen.

Zentral ist eine gute Zusammenarbeit mit der Polizei, den Rettungsdiensten und der Feuerwehr.

Irmela Moser, Leiterin des Care Team Kanton Bern

«Die psychosoziale Notfallversorgung und die psychologische und seelsorgerliche Nothilfe sind heute nicht mehr aus der Ereignisbewältigung wegzudenken. Zentral ist eine gute Zusammenarbeit mit der Polizei, den Rettungsdiensten und der Feuerwehr» sagt Irmela Moser, Leiterin des Care Team Kanton Bern.

Irmela Moser, Leiterin, Care Team Kanton Bern

Betreut werden unverletzte Betroffene. Die Hirnphysiologie verändert sich im Stresserleben. Daher greifen die bisher geeigneten Bewältigungsstrategien nicht mehr. Es besteht die Gefahr, dass psychologische Grundbedürfnisse nicht mehr abgedeckt werden können. Hier setzt die psychosoziale Nothilfe ein. Die Mitglieder des Care Teams Kanton Bern sind laut Irmela Moser meist innerhalb einer Stunde vor Ort. Sie bieten einen ruhigen und sicheren Rahmen mit ihrem Auftreten und ihrer Präsenz. Sie erklären die Abläufe, das Vorgehen bei der Ereignisbewältigung und unterstützen die Betroffenen emotional. Ziel ist, dass die Betroffenen wieder handlungsfähig sind oder das soziale Netz aktiviert wird und die Fürsorge für die Betroffenen übernehmen kann.

Verankerung der Care Teams in den Kantonen

Jeder Kanton hat ein eigenes Care Team. Träger der Care Teams sind teils die Kantone (z.B. AG und GR), teils die Kirchen (Notfallseelsorge Zürich, ökumenische Notfallseelsorge Luzern) oder Kanton und Kirchen gemeinsam (BE und SO). In der Westschweiz sind die Träger i.d.R. Gesundheitseinrichtungen (Réseau fribourgeois de santé mentale FR). Für die Care Teams besteht die Herausforderung darin, genügend Mitglieder rasch in der Ereignisbewältigung einsetzen zu können und dass die Mitglieder der Milizteams über die nötigte Fachkompetenz verfügen.

Unterschiedliche Entschädigungsarten

Mitglieder oder Mitarbeitende von kantonalen Care Teams leisten die Betreuungen meist ehrenamtlich oder mit einer kleinen Entschädigung für Spesen. Beispielsweise werden die Einsätze im Kanton Bern im Rahmen des Schutzdienstes geleistet, also auf Arbeitszeit, wobei der Arbeitgebende eine Entschädigung aus der Erwerbsersatzordnung erhält. Im Kanton Zürich leisten die Notfallseelsorger ihre Einsätze auf Arbeitszeit.

Stiftung Carelink unterstützt in Spitälern

Mitarbeitende im Gesundheitswesen verfügen durch Ausbildung und Erfahrung über einen sehr grossen Rahmen, innerhalb dem sie handeln und Ereignisse bewältigen können. Wenn ein Kriseninterventionsteam gerufen wird, ist meist etwas passiert, das den Bewältigungsrahmen sprengt. «Wir sprechen dabei von Ereignissen, die als be­sonders extrem, nahe oder/und gefährlich wahrgenommen werden und potenziell traumatisierend sind», sagt Petra Strickner, Notfallpsychologin und Supervisorin NNPN. Bei Carelink leitet sie das Care Team. Im Kantonsspital Münsterlingen hat sie die Krisenintervention für Mitarbeitende aufgebaut.

Petra Strickner, Notfallpsychologin und Leiterin des Freiwilligenteams von Carelink

Beispiele für Einsätze sind etwa der unerwartete oder verschuldete Tod eines Patienten oder einer Patientin, qualvolles Leiden, der Tod eines Kindes, Suizid oder ein plötzlicher Todesfall im Team und Gewalt und Grenzverletzungen an oder durch Mitarbeitende(n), Kolleg:innen, Patient:innen oder Angehörige(n).

Wichtig ist, Betroffenen Zuversicht zu vermitteln.

Solche Ereignisse treffen zu einem bestimmten Zeitpunkt auf Menschen (oder Gruppen) mit ihren individuellen Schutz- und Risikofaktoren und ihrem sozialen Umfeld. Die Betroffenen zeigen in diesen Fällen Stressreaktionen, die Krisen auf mehreren Ebenen auslösen können.

Um Betroffene in, während und nach besonders belastenden Ereignissen unterstützen zu können, braucht es Hilfe, die zeitnah und möglichst vor Ort zur Verfügung steht. «Wichtig ist, Betroffenen Zuversicht zu vermitteln», sagt Petra Strickner.

Carelink ist eine schweizweit tätige Stiftung, die Institutionen und Unternehmen wie zum Beispiel Spitäler und Kliniken bei der Implementierung und Schulung von Peersystemen sowie bei der Supervision dieser Systeme unterstützt. Das Careteam von Carelink übernimmt konkrete Fälle mit der Expertise von rund 100 Notfallpsycholog:innen und 250 Caregivern.

Beitragsbild: «Wichtig ist, Betroffenen Zuversicht zu vermitteln», sagt Petra Strickner von Carelink (Foto: Shutterstock).

   

Bleiben Sie informiert über aktuelle Themen mit unserem monatlichen Newsletter