Ein Patient Partner ist eine Person, die Erfahrungswissen aus ihrer persönlichen Krankheitsgeschichte (PHD) mitbringt. Dies ermöglicht es ihr, Erkenntnisse beizutragen, die in traditionellen klinischen Settings oft übersehen werden. Dadurch wird sichergestellt, dass die Stimme der Patient:innen in Entscheidungsprozesse integriert wird und dass sie relevanter und anwendbarer für tatsächliche Patientenerfahrungen ist. Patient Partners arbeiten mit Gesundheitsfachleuten zusammen, um die Planung, Durchführung und Bewertung von Dienstleistungen und Forschung zu verbessern.
Durch das Teilen ihrer gelebten Erfahrungen können Patient Partner Lücken in der Versorgung identifizieren, die Kommunikation fördern und zu patientenzentrierten Ergebnissen führen. Bevor sie Patient Partner werden, durchlaufen Einzelpersonen typischerweise einen Prozess der Selbstermächtigung und setzen sich für andere ein, oft innerhalb ihrer eigenen oder anderer Patientengemeinschaften. Sie erhalten möglicherweise auch Schulungen in Kommunikation, Forschungsmethoden und Gesundheitskompetenz, um ihren Beitrag weiter zu bereichern. Diese Partnerschaft zielt letztlich darauf ab, die Patientenversorgung zu verbessern und das gesamte Gesundheitswesen zu optimieren.
Zunächst sollten wir zwischen dem allgemeinen Begriff des ‚Eingreifens‘ und der aktiven Mitwirkung der Patient:innen in Entscheidungsprozessen unterscheiden. Der Wunsch ist, in einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zu kollaborieren und den Wissensaustausch zu fördern, um letztlich eine verbesserte Gesundheitsversorgung zu erreichen – sowohl im Gesundheitswesen als auch in der Forschung.
Die Bereiche, in denen die Einbeziehung und das Mitwirken der Patient:innen noch optimiert werden können, sind vielfältig. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: die Entscheidungsfindung bei Therapien, die Gestaltung von Behandlungsplänen, Feedback-Mechanismen, gemeinsame Schulungen für Fachpersonal und Patient:innen sowie die Zugänglichkeit von Informationen.
Häufig werden vielversprechende Ideen und Intentionen nicht vollständig in die Praxis umgesetzt, da es an den erforderlichen Strukturen und einer offenen Haltung zur Veränderung bei den Entscheidungsträgern mangelt. Nehmen wir beispielsweise den Feedback-Mechanismus: Alle Spitäler haben Stellen, an die man sich mit Lob und Kritik wenden kann. Als Patientin frage ich mich: Wie viele dieser Spitäler kontaktieren die Personen, die dies ausdrücklich wünschen? Mein Spital hat mich in den 21 Jahren, als ich dort war, kein einziges Mal nach meinen Aufenthalten kontaktiert, obwohl ich dies gewünscht habe.
Mein Spital hat mich in den 21 Jahren, als ich dort war, kein einziges Mal nach meinen Aufenthalten kontaktiert, obwohl ich dies gewünscht habe.
Als Patient Partner weiss ich, dass Spitäler bemüht sind auf Kritik einzugehen und versuchen, diese umzusetzen. Oft werden diese Daten jedoch intern erfasst und ausgewertet, während die Ergebnisse nicht nach aussen kommuniziert werden. Meine gelebte Erfahrung – dazu gehören auch Gespräche mit anderen Patient:nnen, kombiniert mit meiner Problemlösungsorientierung und Beobachtungsgabe, ermöglicht mir eine präzise Rückmeldung: Die Feedback-Schleife funktioniert so nicht, und das wiederum kostet die Spitäler das Vertrauen und Ansehen der Bevölkerung.
Die Rolle der Spitäler sollte v. a. in einem guten Qualitätsmanagement und einer transparenten Kommunikation nach aussen bestehen. Um den Einbezug der Patient:innen zu fördern, muss als allererstes ein Umdenken stattfinden, damit die nötigen Strukturen geschaffen und Ressourcen bereitgestellt werden können.
Wenn Spitäler den Einbezug von Patient:innen fördern möchten, sollten sie darauf achten, die Patient:innen von Anfang an einzubeziehen.
Angenommen, ein Spital entwickelt eine neue Strategie und möchte dabei Patient:innen einbeziehen. Dann sieht der Status quo folgendermassen aus: Eine Strategie wird ausgearbeitet, an der sich alle Fachkräfte und das Personal in Arbeitsgruppen beteiligen, bevor es zur finalen Version kommt. Erst jetzt wird die Meinung von Patient:innen eingeholt. Was kann mein Zutun zu diesem Zeitpunkt denn noch bewirken? Wenn Spitäler also den Einbezug von Patient:innen fördern möchten, um auch hiervon zu profitieren, sollten sie darauf achten, dass dies von Anfang an geschieht und der gesamte Prozess patientenfreundlich gestaltet wird. Als Unterstützung hierfür empfehle ich das Montreal Model für Patient and Public Involvement und das Learning Together Framework. Ausserdem ist es hilfreich, sich Unterstützung von bereits ausgebildeten und erfahrenen Patient Partnern zu holen.
Ich nenne Ihnen gerne einige Aspekte: Verbesserte Patientenzufriedenheit, erhöhte Behandlungsakzeptanz, individuelle Anpassungen, bessere Kommunikation, frühzeitige Problem-Erkennung, Erhöhung der Therapieerfolge, Entwicklung von Vertrauen, Feedback für Verbesserungen.
Wer Veränderung will, sollte aktiv mit anpacken, sich beteiligen und es nicht anderen überlassen.
Ja, definitiv. Auch bei Patient:innen braucht es ein Umdenken und einen inneren Prozess, um ein vernetztes Denken zu entwickeln und um von der Mikro- in die Metaebene wechseln zu können. Wer Veränderung will, sollte aktiv mit anpacken, sich beteiligen und es nicht anderen überlassen. Das Schöne an Patient and Public Involvement (PPI) ist, dass jeder nach seinen Möglichkeiten mitwirken kann, sei es in einer informativen, konsultativen, kollaborativen oder leitenden Rolle.
Einige Hindernisse, die es Patient:innen heute erschweren, eine aktive Rolle in ihrer Behandlung zu übernehmen, sind mangelndes Wissen über ihre Erkrankungen und Behandlungsoptionen sowie Zeitdruck im Gesundheitswesen, der wenig Raum für Fragen lässt. Unzureichende Kommunikation und Angst vor Autoritäten können ebenfalls dazu führen, dass Patient:innen sich nicht einbringen. Zudem fehlt oft die notwendige Unterstützung, und es sind nicht immer die richtigen Ansprechpersonen vorhanden, die Patient:innen helfen könnten, aktiv zu werden; hier können Patient Partners ebenfalls eine wertvolle Unterstützung bieten.
Ein Sprichwort, das auf mich zutrifft, ist «Not macht erfinderisch». Angesichts meiner eigenen Situation verwandle ich das, was ich durchgemacht habe, in etwas Positives, um anderen zu helfen. Diese Erfahrung verleiht mir einen Mehrwert und hilft mir, meine Herausforderungen zu verarbeiten.
Angesichts meiner eigenen Situation verwandle ich das, was ich durchgemacht habe, in etwas Positives, um anderen zu helfen.
Die treibende Kraft ist mein Überlebensmechanismus. Ich bin mir bewusst, dass ich Wissen habe, das mein Gegenüber möglicherweise nicht hat, und dieses Unwissen kann in kritischen Situationen lebensgefährlich sein. Dieses Bewusstsein motiviert mich, den Schritt nach vorne zu wagen, anstatt still zu stehen und zu warten, dass es jemand anderes für mich tut. Es ist jedoch viel effektiver, wenn auch andere dies erkennen und wir gemeinsam Wege finden.
Swiss Patient Forum 2024 von EUPATI Schweiz
Das diesjährige Swiss Patient Forum steht unter dem Motto: «Patient:innen sind einsatzbereit: Definition unserer Rollen auf allen Ebenen».
Der Einbezug von Patient:innen in die Gremien, Beiräte und Entscheidungsprozesse des Schweizer Gesundheitssystems – sei es in der klinischen Forschung, in Verbänden oder in der Industrie – wird immer wichtiger. Um diese Rolle effektiv wahrzunehmen, benötigen Patient:innen gezielte Schulung und Unterstützung. Das diesjährige Swiss Patient Forum konzentriert sich genau auf diese Aspekte. Jennifer Woods ist eine der Referent:innen.
Samstag, 16. November 2024, 13.45 Uhr, Stadion Wankdorf, Bern
Beitragsbild: Canva.com