Der geringe Einsatz von Onlinesprechstunden an Schweizer Spitälern hat dazu geführt, dass es keine schweizweiten Richtlinien gibt, die vorgeben, wie telemedizinische Konsultationen systematisch in ein Spitalumfeld integriert werden können. Das Universitätsspital Zürich (USZ) sieht grosses Potenzial für telemedizinische Konsultationen. Zwischen April und Mai 2021 evaluierte eine Masterarbeit die bereits am USZ umgesetzten Onlinesprechstunden und untersuchte dabei deren Implementierungsgrad, Vorteile und Hürden sowie geeignete Settings.
Die Ergebnisse der Evaluation zeigen, dass ein Drittel der befragten Kliniken (N = 30) telemedizinische Konsultationen bereits anbieten. Diese Kliniken decken sämtliche Fachbereiche des USZ ab. Onlinekonsultationen entsprechen im Durchschnitt fünf Prozent der angebotenen Sprechstunden der jeweiligen Klinik. Primär handelt es sich um generelle Konsultationen, wie zum Beispiel zur Ausstellung von eRezepten sowie Verlaufskontrollen für Patient:innen mit chronischen Erkrankungen.
Klare Vorteile sind gemäss Umfrage eine höhere Flexibilität für die Patient:innen. Für sie haben die telemedizinischen Konsultationen den Wegfall des Anfahrtsweges und kürzere Wartezeiten zur Folge. Es kommt zudem zu weniger No-Shows (Patient:innen, die nicht erscheinen).
Aus der Evaluierung am USZ geht zudem hervor, dass sich Onlinesprechstunden insbesondere für die Bereiche Aufklärung über die Diagnose, präinterventionelle Aufklärung, Verlaufsbeobachtung sowie Nachkontrolle eignen.
Für Patient:innen mit motorischen oder kognitiven Einschränkungen bzw. mit Hör- und Sehproblemen gestalten sich Onlinesprechstunden schwierig. Weiter erwähnten die Befragten die zum Teil fehlende IT-Affinität seitens der Patient:innen. Sie bewerten die gegenwärtige IT-Infrastruktur in Bezug auf telemedizinische Anwendungen als ausbaufähig.
Nebst der internen Evaluierung am USZ zur aktuellen Implementierung von telemedizinischen Konsultationen befassen sich einzelne Kliniken am USZ intensiv mit diesem Behandlungssetting.
Aus einer Studie1 des Instituts für komplementäre und integrative Medizin (IKI) geht hervor, welche Erfahrungen die Patient:innen sowie das medizinische Fachpersonal mit Videosprechstunden gemacht haben. Die Studienergebnisse zeigen, dass beide Anspruchsgruppen das neue Setting als praktikabel und effizient einstufen und die therapeutische Beziehung positiv evaluieren. Zudem war die Gesamtzufriedenheit der Patient:innen hoch. Ein weiterer Pluspunkt der Onlinesprechstunde sei, dass mehrere Personen an einer Konsultation teilnehmen können.
Die interne Evaluierung und die Studie des IKI haben gezeigt, dass Telemedizin grosses Potenzial aufweist. Patient:innen sollen nach Möglichkeit künftig die Wahlfreiheit haben, ob eine Konsultation vor Ort oder Online wahrgenommen wird.
Aktuell gibt es nur eine tarifarische Möglichkeit, telemedizinische Konsultationen abzurechnen. Hierfür kommt im TARMED-Tarif die «00.0110ff – Telefonische Konsultation durch den Facharzt» zur Anwendung, welcher im regulären Fall2 die Abrechnung von maximal 20 Minuten pro Patient:in für eine telefonische Konsultation gestattet. Der Effekt auf den Kostendeckungsgrad ist entsprechend negativ.
Die fehlende Möglichkeit differenziert tarifarisch abzurechnen, stellt eine wesentliche Hürde für die weitere Verbreitung von Onlinesprechstunden dar und trägt den heutigen Möglichkeiten und Bedürfnissen in keiner Weise Rechnung. Finanziell attraktiv sind Onlinesprechstunden heutzutage daher insbesondere bei Selbstzahlenden.
1Digital Consultations During COVID-19: A Multiperspective Mixed-Methods Study in an Integrative Medicine Setting in Switzerland, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33960805
2Ausgenommen sind psychiatrische und schwerverlaufende Fälle.
Beitragsbild: IKI