Kinderspitäler, Kindermedizin
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12. März 2024

Kindermedizin

Kindermedizin lohnt sich

«In die Kindermedizin zu investieren, lohnt sich aus gesellschaftlicher Sicht, da oft langfristige Folgekrankheiten vermieden werden können. Denn mit einer guten Versorgung kann die Pädiatrie einen wichtigen Beitrag zu einem langen und guten Leben der Patient:innen leisten», sagt Prof. Urs Frey, ärztlicher Direktor am Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB).
Competence Martina Greiter

Autorin

Martina Greiter

Redaktorin Competence deutsche Schweiz

martina.greiter@hplus.ch

Prof. Frey, was bereitet Ihnen bei Ihrer Arbeit als ärztlicher Direktor am UKBB die grösste Freude?

Das Schöne an der Pädiatrie ist, dass wir mit einer guten Versorgung zu einem langen und guten Leben unserer Patient:innen beitragen können. Es lohnt sich also, in diese positive Medizin zu investieren. Die Mitarbeitenden in der Pädiatrie sind hoch motiviert mit einer klaren Vision, Kinder umfassend zu betreuen. Es macht Freude, in einem solchen Umfeld zu arbeiten.  

Prof. Dr. med. Urs Frey, Ärztlicher Direktor UKBB, Professur für Pädiatrie, Mitglied der Geschäftsleitung

Und Ihre grössten Herausforderungen?

Kinder zu behandeln, nimmt viel Zeit in Anspruch. Die Abgeltung solcher Zusatzaufwände ist aber meist ungenügend, so dass wir seit Jahren chronisch unterfinanziert sind. Dies zeigt sich exemplarisch bei Kindern, die von seltenen Krankheiten betroffen sind – in gewissen Sprechstunden fast die Hälfte der Patient:innen. Sie kommen oftmals mit einem banalen grippalen Infekt, aber aufgrund einer zugrundeliegenden seltenen Krankheit, benötigen sie für ihre Betreuung oft mehrere multidisziplinäre Spezialisten-Teams. Diese Teams sind oft klein und haben eine grosse Dienstbelastung. Um Patient:innen mit seltenen Krankheiten besser zu betreuen und für sie einen besseren Zugang zu Spezialist:innen zu gewährleisten, haben wir am UKBB und schweizweit Netzwerke gebildet.

Wie begegnet das UKBB dem Fachkräftemangel?

Wir haben bei den Patientenzahlen eine starke saisonale Abhängigkeit. Um die Peaks im Winterhalbjahr zu bewältigen, rekrutieren wir seit jeher im Winter mehr Personal als im Sommer. Elektive Eingriffe legen wir vermehrt in den Frühling oder Sommer. Diesen Winter konnten wir uns knapp über Wasser halten. Aber wenn Mitarbeitende zusätzlich ausfallen, dann ist dies nur dank der hohen Motivation der verbleibenden Mitarbeitenden zu bewältigen. Wir haben keine Reserven und die Dienstbelastungen, Qualitätsanforderungen und der administrative Aufwand werden sogar eher grösser.

Welche weiteren Entwicklungen waren in letzter Zeit relevant?

Die Anzahl an Patient:innen im ambulanten Bereich nimmt stark zu, nämlich pro Jahr um zwei bis vier Prozent in den spezialisierten Bereichen. Und auch die Fallzahlen in der Notfallstation steigen stetig an. Einerseits machen wir im Sinne einer guten Versorgung vermehrt ambulant, was ambulant machbar ist. Zum anderen überweisen uns niedergelassene Praxen und kleinere Spitäler immer häufiger vorabgeklärte Patient:innen und beauftragen uns, aufwändige Zweitmeinungen und spezialisierte Abklärungen zu erstellen.

Kindermedizin, Kinderspitäler
Prof. Urs Frey: «Kinder zu behandeln, nimmt viel Zeit in Anspruch. Die Abgeltung solcher Zusatzaufwände ist aber meist ungenügend, so dass Kinderspitäler seit Jahren chronisch unterfinanziert sind». (Foto: UKBB)

Die Ambulantisierung erfolgt also auch ungesteuert?

Wenn möglich ist die ambulante Medizin ohne unnötige Hospitalisierung sicher im Sinne einer schonenden Versorgung des Kindes. Hochproblematisch ist aber, dass sie durch die aktuellen TARMED-Tarife finanziell sehr schlecht abgebildet ist.

«Die Anzahl an Patient:innen im ambulanten Bereich nimmt bei uns stark zu, nämlich pro Jahr um zwei bis vier Prozent in den spezialisierten Bereichen.»

Hinzu kommt, dass auch viele aufwändige Leistungen für Kinder mit seltenen Krankheiten unzureichend abgegolten werden. Daher ist speziell für die Kinderspitäler eine rasche Verbesserung der ambulanten Tarife absolut zentral (siehe Artikel von Dr. med. Malte Frenzel, Geschäftsführer Allianz Kinderspitäler der Schweiz AllKidS).

Weshalb gelangen die kleinen Spitäler und Praxen vermehrt an Sie?

Die Spezialisierung hat stark zugenommen. So kann beispielsweise ein kleines Kind mit einem spezifisch kinderneurologischen Problem heute nicht mehr von einem Neurologen für Erwachsene betreut werden. In diesen spezialisierten Bereichen werden uns daher vermehrt Kinder zugewiesen. Zu dieser Entwicklung trägt ein erwiesenes Stadt-Land-Gefälle bei. Je ländlicher ein Gebiet, desto öfter werden Kinder von Hausärzt:innen und nicht von Pädiater:innen betreut.

«Wir haben nun fast 20 Jahre optimiert und es gibt keine Luft mehr nach oben – wir sind maximal optimiert und trotzdem durch die Tarife im ambulanten Bereich unterfinanziert.»

Weshalb kommt das UKBB in diesem Winter trotz allem einigermassen über die Runden?

Wir haben versucht, den Fachkräftemangel gezielt zu bekämpfen, indem wir in verschiedenen Bereichen die Löhne angepasst haben. Zudem haben wir aktiver als bisher rekrutiert, arbeitsrechtliche Vorgaben konsequent monitorisiert, unsere Weiterbildungsangebote verbessert, Massnahmen in der Teilzeitarbeit optimiert und viele attraktive Angebote für die Mitarbeitenden geschaffen. Das ist uns zu einem gewissen Grad gelungen, aber nachdem wir nun fast 20 Jahre optimiert haben, gibt es keine Luft mehr nach oben – wir sind maximal optimiert und trotzdem durch die Tarife im ambulanten Bereich unterfinanziert.

Beitragsbild: UKBB