GDK CDS Lukas Engelberger
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11. Februar 2025

Auswege aus der Krise?

Föderalismus ist gesund

Jedem Täli sein Spitäli – Das war einmal

Oftmals wird in der Kostendiskussion ausgeblendet, dass die Zahl der Spitäler zurückgegangen ist. Die Spitalplanung ist bei den Kantonen am richtigen Ort, wobei sich die Zusammenarbeit über die Kantonsgrenzen hinweg noch ausbauen lässt. Mit der einheitlichen Finanzierung erhalten die Kantone eine stärkere Rolle und finanzieren die ambulanten Leistungen in Zukunft mit.
Competence Lukas Engelberger

Autor

Lukas Engelberger

Président de la CDS et conseiller d’État de Bâle-Ville

lukas.engelberger@bs.ch

Spitäler sind emotionale Orte. Existenzielle Lebensereignisse geschehen hier, entsprechend gross ist das Interesse an ihnen – auch in finanzieller Hinsicht. Der Fingerzeig auf die Spitäler ist denn auch eine häufige Reaktion, wenn es darum geht, Ursachen für die steigenden Krankenkassenprämien zu finden. Dies gerne in Kombination mit dem bekannten Gemeinplatz «Jedem Täli sein Spitäli».

Wer pauschal sagt, dass problemlos die Hälfte der Spitäler geschlossen werden könnte, der macht Schönwetterpolitik.

Dabei wird ausgeblendet, dass es im Jahr 2002 in der Schweiz 363 Spitäler gab, heute sind es noch 278. Und ausgeblendet wird auch, dass sich die Kosten just im Bereich der stationären Spitalleistungen vergleichsweise moderat entwickeln. Vor zehn Jahren entfiel ein Viertel der Bruttoleistungen in der obligatorischen Krankenversicherung auf den stationären Spitalbereich. Inzwischen ist es weniger als ein Fünftel. Das ändert nichts an der überragenden Bedeutung des Spitalsektors.

Gerade während der COVID-19-Pandemie zeigte sich der Wert einer Spitallandschaft, die Auslastungsspitzen auffangen kann. Wer pauschal sagt, dass problemlos die Hälfte der Spitäler geschlossen werden könnte, der macht Schönwetterpolitik und blendet aus, dass die Spitalversorgung auch in Krisen und Katastrophenfällen funktionieren muss. Wichtiger als die blosse Zahl der Leistungserbringer sind sowieso diese Fragen: Wer macht was? Was muss stationär und was kann ambulant behandelt werden – und nach welchen fachlichen Kriterien?

Ambulante Versorgung: Stärkung der Rolle der Kantone

Die Spitallandschaft verändert sich und dieser Wandel wird sich fortsetzen. Wenn per 2026 die veraltete Tarifstruktur TARMED abgelöst wird, kann die Verlagerung vom stationären in den ambulanten Bereich an Fahrt gewinnen. Und dank dem Volks-Ja zur einheitlichen Finanzierung werden weitere Hürden abgebaut.

Die Kantone erhalten mit der Reform im ambulanten Bereich eine stärkere Rolle und finanzieren die ambulanten Leistungen in Zukunft mit. Diese sind heute für die Spitäler bekanntlich oft nicht kostendeckend, was massgeblich zu ihren gegenwärtigen finanziellen Problemen beiträgt. Mit der neuen ambulanten Tarifstruktur und der einheitlichen Finanzierung sind wichtige Weichen in die richtige Richtung gestellt.

Spitalplanung ist auf breite Akzeptanz im unmittelbaren Umfeld angewiesen und braucht eine Einbettung in das regionale Gesundheitswesen.

Derweil wird im Bundesparlament die geltende Kompetenzordnung in Frage gestellt. Verschiedene Vorstösse fordern im Bereich der Spitalplanung eine stärkere Rolle des Bundes oder gar eine Zentralisierung. Dabei ist die Spitalplanung bei den Kantonen genau am richtigen Ort. Sie ist auf breite Akzeptanz im unmittelbaren Umfeld angewiesen, braucht eine Einbettung in das regionale Gesundheitswesen und eine demokratische Legitimation durch die betroffene Bevölkerung.

Der Bund ist dafür nicht besser geeignet als die Kantone, im Gegenteil. Ihm fehlt die Nähe zum Versorgungsgeschehen. Die Schweiz ist ein kleinräumiges Land mit einem lebendigen Wettbewerb der Subsysteme. Der Entwurf einer Spitallandschaft auf dem Reissbrett und eine zentrale Umsetzung durch den Bund wären mit den föderalistischen Strukturen und Traditionen der Schweiz kaum vereinbar.

Dass die Kantone zu einer gemeinsamen Planung fähig sind, stellen sie laut Lukas Engelberger bei der hochspezialisierten Medizin (HSM) unter Beweis (Foto: Canva.com).

Interkantonale Zusammenarbeit verstärken

Die Diskussion um die Zuständigkeit für die Spitalplanung hat auch eine finanzpolitische Komponente. Die Kantone tragen heute mindestens 55 Prozent der Kosten der stationären Spitalleistungen. Im Jahr 2022 gaben die Kantone dafür rund 9 Milliarden Franken aus. Sollte die Planungskompetenz zum Bund verschoben werden, müsste der Bund konsequenterweise auch die Finanzierung übernehmen.

Bereits heute gibt es gute Beispiele für eine enge Zusammenarbeit zwischen den Kantonen, wie etwa gleichlautende Spitallisten.

Nachvollziehbar bleibt die Forderung, dass die Kantone bei der Spitalplanung noch stärker und systematischer über die Kantonsgrenzen hinweg zusammenarbeiten sollen. Bereits heute gibt es gute Beispiele für eine enge Zusammenarbeit zwischen den Kantonen, wie etwa gleichlautende Spitallisten.¹ Die Plenarversammlung der GDK hat im November 2024 ein Zeichen gesetzt und beschlossen, dass die GDK-Empfehlungen zur Spitalplanung bezüglich Koordination und Zusammenarbeit unter den Kantonen ergänzt werden sollen.

Dass die Kantone zu einer gemeinsamen Planung fähig sind, stellen sie bei der hochspezialisierten Medizin (HSM) unter Beweis. Für die HSM gibt es seit 2009 nur noch eine einzige, von allen Kantonen gemeinsam getragene Planung. Damit wurde eine Konzentration und schweizweite Koordination in mehreren Bereichen erreicht. Im Bundesparlament gibt es allerdings Bestrebungen, die hochspezialisierte Medizin wieder stärker zu kantonalisieren.

Unterschiedliche Erwartungen

Die Kantone sehen sich also mit widersprüchlichen Forderungen konfrontiert: Dort, wo sie die Spitallandschaft systematisch schweizweit planen, sollen die Kantone wieder mehr Autonomie erhalten. Gleichzeitig sollen sie sich in den übrigen Bereichen stärker koordinieren oder gar Kompetenzen an den Bund abgeben.

Erschwerende rechtliche Rahmenbedingungen

Ähnlich spannungsgeladen sind die Rahmenbedingungen des KVG. So sollen die Kantone mit ihrer Spitalplanung Überkapazitäten vermeiden und den Kostenanstieg eindämmen. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber mit der freien Spitalwahl der Versicherten und dem Konstrukt der Vertragsspitäler Wettbewerbselemente verankert, welche kantonale Planungen ebenso schwächen können wie die extensiven Beschwerderechte von Spitälern, die nicht die gewünschten Leistungsaufträge erhalten. Das wären aus kantonaler Sicht plausiblere Anknüpfungspunkte für gesetzliche Verbesserungen als plumpe Zentralisierungsforderungen.

Sicher ist: Die Kantone werden sich konstruktiv in die Debatten einbringen und sich dabei stets an ihrem Kernauftrag orientieren: Eine gute Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung sicherzustellen.

1Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden und St.Gallen haben am 17. Dezember 2024 gleichlautende Spitallisten für die Rehabilitation erlassen, die seit dem 1. Januar 2025 gültig sind. Dieselben drei Kantone haben am 5. März 2024 auch gleichlautende Spitallisten für die Akutsomatik erlassen. Die Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft haben im Mai 2021 ihre gleichlautenden Spitallisten genehmigt. Die Kantone Uri, Schwyz und Zug haben eine gemeinsame Psychiatrieplanung durchgeführt und eine gemeinsame Spitalliste für die Psychiatrie ab 2018 eingeführt.

Beitragsbild: Canva.com

   

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