Wie der Name besagt, geht es bei Hospital at Home (HaH) darum, dass das Spital zum Patienten nach Hause kommt, statt dass sich die Patientin ins Spital begeben muss. Patient:innen, die aufgrund ihrer medizinischen Situation spitalbedürftig sind, können in ihren eigenen vier Wänden behandelt, gepflegt und rund um die Uhr überwacht werden.
Möglich ist dies dank der Telemedizin, welche die ärztliche Visite am Spitalbett zunehmend ersetzt, sowie dank modernsten Messgeräten und Bewegungssensoren, die beim Patienten zu Hause aufgestellt werden und dem Spital die Daten übermitteln. Zudem sucht ein Team von Ärzt:innen sowie Pflegenden die Patientin zu Hause auf.
Studien aus dem Ausland zeigen, dass die Morbidität und Mortalität durch die Behandlung zu Hause statt im Spital gesenkt werden können. Das Risiko für nosokomiale Infekte, Delir, Stürze, Polymedikation etc. wird vermindert und die Mitverantwortung des Patienten für den eigenen Genesungsprozess wird gestärkt. Er oder sie kann in vertrauter Umgebung genesen statt im eng getakteten Spitalalltag. Zudem können viele Spitalaufenthalte verkürzt oder von vornherein verhindert werden, was für das Gesundheitswesen Kosteneinsparungen zur Folge hat.
Eine mögliche Schwäche des Modells könnte sein, dass der Patient und sein Umfeld mit der ihm zugedachten grösseren Eigenverantwortung gegebenenfalls überfordert sind. Dies gilt es insbesondere bei betagten Patient:innen mit chronisch fortschreitenden Krankheiten, wie etwa Herzinsuffizienz, zu bedenken.
Wie reagiert man beispielsweise, wenn sich die medizinische Situation des Patienten plötzlich verschlechtert? Ist das Spital im Notfall rasch genug zur Stelle, um Schaden von der Patientin abzuwenden? Wichtig ist daher, dass Patient:innen und ihre Angehörigen in die Prozesse einbezogen und punkto Alltagsbewältigung geschult werden. Unabdingbar ist sodann, dass im Notfall Interaktion und Koordination zwischen der Zentrale und dem mobilen Team reibungslos funktionieren.
Offen ist die Frage der Finanzierung. Da es sich um eine stationäre Behandlung handelt, müsste diese via SwissDRG abgerechnet werden können. Möglicherweise sind aber Anpassungen bei der Tarifierung nötig, da der Patient sich zu Hause aufhält und nicht die (volle) Spitalinfrastruktur inklusive Hotellerie in Anspruch nimmt. Andererseits fallen bei HaH zusätzliche Kosten etwa für die Koordination oder Wegzeiten an, die angemessen vergütet werden müssen.
Von Seiten der Stakeholder sind teilweise kritische Stimmen zu vernehmen. Spitex Schweiz hat am 16. August 2023 in einer Medienmitteilung zu bedenken gegeben, die Spitäler würden mit HaH in den Kompetenzbereich der Hilfe und Pflege zu Hause eingreifen und der Bildung von Parallelstrukturen Vorschub leisten. Dabei sei die Spitex für HaH prädestiniert, da sie über lange Erfahrung verfüge und auch Menschen mit komplexen Krankheitsbildern zu Hause betreuen könne. Es brauche daher eine klare Aufgabenteilung für Spitäler als Anbieter ärztlicher Leistungen und Spitex-Organisationen als Anbieter pflegerischer Leistungen zu Hause.
Diese Argumentation verkennt einen wesentlichen Unterschied zwischen HaH und Spitex: HaH ermöglicht es, die akutmedizinische Behandlung in der gewohnten Umgebung der Patient:innen durch- bzw. weiterzuführen, wohingegen das Angebot der Spitex die Pflege zu Hause nach einem Akutspitalaufenthalt beinhaltet. Zudem besteht ein Vorzug des HaH-Konzepts gerade darin, dass Gesundheitsleistungen von multiprofessionellen Teams erbracht werden, die dabei modernste Technik nutzen.
Unbestreitbar erbringen Spitex-Organisationen zunehmend auch hochspezialisierte pflegerische Leistungen. Aber in gewissen Situationen stösst die Spitex an ihre Grenzen. Es wäre daher praxisfremd, bei HaH eine künstliche Zweiteilung in einen ärztlichen und einen pflegerischen Bereich vorzunehmen.
Spitäler arbeiten mit Spitex-Organisationen und Hausärzt:innen Hand in Hand. Dies entspricht täglich gelebter Praxis, auch bei HaH. Bereits heute besteht die Möglichkeit, anhand von Pilotprojekten zu evaluieren, welchen Nutzen das Modell generiert, wie mit Risiken umgegangen wird und wie die verschiedenen Akteur:innen zusammenarbeiten. Ein solches Projekt, nämlich Visit – Spital Zollikerberg Zuhause®, wird in der vorliegenden Competence-Ausgabe vorgestellt. Andere Beispiele – um nur einige zu nennen – sind Hospital@Home der Klinik Hirslanden Zürich, patient@home des Spitalzentrums Biel und «Hospital at Home» der Klinik Arlesheim. Aus den Erfahrungen können Erkenntnisse gewonnen werden, die allen zugutekommen, am meisten den Patient:innen.
Swiss Hospital at Home Society gegründet
Am 2. November 2023 wurde der Verein «Swiss Hospital at Home Society» von engagierten Fachpersonen ins Leben gerufen. Das Ziel besteht darin, das innovative und international bewährte Hospital at Home Behandlungskonzept im Schweizer Gesundheitswesen zu etablieren. Es sollen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, um hochwertige medizinische Versorgung und Pflege direkt zu den Patient:innen nach Hause zu bringen.
Info: https://shahs.ch