initiative soins financement deuxième étape
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10. September 2024

H+ Position

Zweite Etappe der Pflegeinitiative: Finanzierung muss geklärt werden

H+ lehnt den vom Bundesrat vorgeschlagenen Entwurf zur Umsetzung der zweiten Etappe der Pflegeinitiative in seiner jetzigen Form entschieden ab. Der Gesetzesentwurf enthält keinerlei Bestimmungen darüber, wie die entstehenden Mehrkosten zu finanzieren sind. H+ macht konkrete Finanzierungsvorschläge.
Competence Martina Greiter

Autorin

Martina Greiter

Redaktorin Competence deutsche Schweiz

martina.greiter@hplus.ch

Der Bundesrat legt mit dem Bundesgesetz über die Arbeitsbedingungen in der Pflege (BGAP) einen Gesetzesentwurf vor, der zu Mehrkosten in der Pflege in allen Versorgungsbereichen führen wird. Der Gesetzesentwurf enthält aber keinerlei Bestimmungen darüber, wie diese Mehrkosten finanziert werden sollen.

H+ fordert eine Ergänzung des Bundesgesetzes über die Arbeitsbedingungen in der Pflege (BGAP) um einen Abschnitt «Finanzierung».

Vielmehr erwartet der Bundesrat gemäss Erläuterndem Bericht vom 8. Mai 2024 (S. 47), dass die Leistungserbringer ihre finanziellen Ressourcen umverteilen und so die Mehrkosten auffangen. Eine solche Umverteilung ist im Hinblick auf die bestehende Unterdeckung bei den Tarifen und Beiträgen sowie bei der Restfinanzierung schlicht nicht möglich, zumal bereits heute eine massive Unterfinanzierung besteht.

Ohne die Finanzierung der arbeitsrechtlichen Auflagen droht die Vorlage Erwartungen zu wecken, deren Umsetzung aufgrund fehlender Finanzierung scheitern wird.

H+ fordert daher, den Entwurf des BGAP zwingend mit Bestimmungen zu ergänzen, welche diese Mehrkosten der Leistungserbringer abgelten. Arbeitsrechtliche Auflagen, etwa zur Höchst- und Normalarbeitszeit des Pflegepersonals, haben deutliche Mehrkosten zur Folge. Ohne geklärte Finanzierung werden damit Erwartungen einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen geweckt, die in der Umsetzung daran scheitern werden, dass die Leistungserbringer sie nicht finanzieren können. Eine solche Situation würde zu Frustration bei den Pflegenden führen und das Ziel der Pflegeinitiative nicht näherbringen.

Vorschlag zur Regelung der Finanzierung

Der vorliegende Entwurf des BGAP wird für die Leistungserbringer Mehrkosten von mehreren hundert Millionen Franken pro Jahr allein schon für die Kompensation für kurzfristige, ungeplante Einsätze der Pflegepersonen generieren. Hinzu kommen Mehrkosten von bis zu 1,4 Milliarden Franken pro Jahr, falls der Bundesrat von seiner Kompetenz Gebrauch macht, die Wochenarbeitszeit für Pflegepersonen auf bis zu 38 Stunden zu verkürzen.

Dies geht aus dem Erläuternden Bericht des Bundesrats vom 8. Mai 2024 (S. 48) sowie aus der Regulierungsfolgeabschätzung des BSS vom 23. Januar 2024 (RFA, S. 54) hervor. Mit zusätzlichen Mehrkosten für weitere Massnahmen ist zu rechnen wie z. B. Senkung der Höchstarbeitszeit von 50 auf 45 Stunden (und die daraus sich ergebende Anhäufung von Überzeit und Überstunden, die ausgeglichen werden müssen), Entschädigung von Umkleidezeit, Pausen etc.

Insbesondere müssen die Mehrkosten ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des BGAP durch eine entsprechende Erhöhung der geltenden Tarife abgegolten werden.

Die Finanzierung sämtlicher durch das BGAP generierten Mehrkosten muss nun aber zwingend geregelt werden. Insbesondere müssen die Mehrkosten ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des BGAP durch eine entsprechende Erhöhung der geltenden Tarife abgegolten werden, sei dies durch Tarifverhandlungen oder – wenn diese scheitern – mittels Festsetzung durch den zuständigen Kanton.

Im neuen Abschnitt «Finanzierung» des BGAP soll festgehalten werden,…

    • dass Bund und Kantone verpflichtet sind, ein Finanzierungsmodell zu erarbeiten, welches garantiert, dass die Massnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege auch umgesetzt werden können, sodass die Verweildauer im Pflegeberuf effektiv zunimmt;

    • dass die Kantone verpflichtet sind, über die Umsetzung der Massnahmen gemäss BGAP eine Kostenfolgeabschätzung in Auftrag zu geben; die Kostenfolgeabschätzung muss strikt neutral ausfallen und von einem unabhängigen Institut durchgeführt werden;
    • dass die durch das BGAP generierten Mehrkosten in allen betroffenen Versorgungsbereichen durch eine entsprechende Erhöhung der geltenden Tarife resp. Beiträge vollumfänglich abgegolten werden;

    • dass die Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) entsprechend angepasst wird; darüber hinaus sind, soweit notwendig, weitere Anpassungen am geltenden Recht vorzunehmen (namentlich KVG/KVV, UVG/UVV, IVG/IVV, MVG/MVV).

Vorschlag zur Anpassung der geltenden Tarife ambulant und stationär

Um die Umsetzung des BGAP sicherzustellen, werden die geltenden Tarife in den relevanten ambulanten und stationären Tarifsystemen¹ erhöht. Die Erhöhung der Tarife soll ab Inkrafttreten des BGAP wirksam werden. Dies bedingt, dass die Tarife prospektiv auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens von den Tarifpartnern erhöht werden müssen.

Die Erhöhung der Tarife entspricht den geschätzten Mehrkosten der Pflegeleistungen pro Versorgungsbereich, auf Grundlage einer neutralen Kostenfolgeabschätzung ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des BGAP. Die entstehenden Mehrkosten sind danach zumindest im stationären und im spitalambulanten Bereich individuell pro Leistungserbringer zu ermitteln und adäquat zu finanzieren, unter Berücksichtigung des konkreten Pflegebedarfs und nicht auf Basis von Durchschnittskosten pro Versorgungsbereich.

Können sich die Tarifpartner nicht auf eine Tariferhöhung einigen, setzt der zuständige Kanton die Tarife so fest, dass die durch das BGAP generierten Mehrkosten gedeckt sind. Die effektiven Mehrkosten werden nach drei Jahren überprüft und die Tarife bei Bedarf erneut angepasst.

Ferner werden die Tarife jedes Mal erhöht, wenn der Bundesrat seine Kompetenzen gemäss BGAP nutzt, um die arbeitsrechtlichen Auflagen zu verschärfen – sollten diese Kompetenzen denn im BGAP verbleiben.

1Im stationären Bereich sind dies SwissDRG (Akutsomatik), TARPSY (Psychiatrie), ST REHA (Rehabilitation), im ambulanten Bereich namentlich TARMED (ab 2026: kohärentes Tarifsystem aus TARDOC und Pauschalen), Tarif für ambulante Beratungs- und Pflegeleistungen, TarReha UV/IV/MV (Rehabilitation) sowie Tarif für Dialyseleistungen.

Beitragsbild: Canva.com