Die aktuellen Studienergebnisse sind vorab online in der renommierten Fachzeitschrift «The Lancet Neurology» erschienen. Untersucht wurde in einer multizentrischen klinischen Studie der Antikörper NG 101 (Anti-Nogo-A), welcher das körpereigene Protein Nogo-A blockiert und damit neutralisiert. Dieser Prozess hemmt bzw. verhindert bei einer akuten Verletzung die Regeneration von geschädigten Nervenfasern im Rückenmark. Eine Behandlung mit Antikörpern soll diese hemmenden Mechanismen im Körper bremsen und so eine Erholung des Rückenmarks ermöglichen.
An der placebokontrollierten, doppelblinden, randomisierten Studie nahmen 126 Personen im Alter von 18 bis 70 Jahren teil, die an einer akuten kompletten bis inkompletten Querschnittlähmung durch eine Rückenmarksverletzung im Halsbereich litten. 78 Personen wurden mit dem Antikörper behandelt, der direkt in den Spinalkanal injiziert wurde; die übrigen 48 Personen erhielten ein Placebo, das auf die gleiche Weise verabreicht wurde.
Eine standardisierte Untersuchung an Hand-Arm-Muskeln zeigte, ob sich motorische Funktionen bei den Patient:innen erholen. Diese Muskelgruppen sind für Patient:innen mit Tetraplegie von grösster Bedeutung im Alltag. Nach sechs Monaten wurde die Wirkung zwischen den mit Antikörpern behandelten und den unbehandelten (Placebo-)Patient:innen verglichen.
Bei Patient:innen mit einer kompletten Querschnittlähmung zeigten sich keine Verbesserungen der motorischen Funktion. In der Patientengruppe mit inkompletter Querschnittlähmung führte die Behandlung mit Antikörpern zu signifikanten Verbesserungen sowohl in der willkürlichen Ansteuerung der gelähmten Muskeln als auch in der Selbständigkeit der Patient:innen im Alltag. Die Antikörper waren allgemein gut verträglich und bisher sind keine Nebenwirkungen aufgetreten.
Weitere Studien müssen nun diese positiven klinischen Befunde bei Patient:innen mit akuter inkompletter Querschnittlähmung bestätigen. Eine Folgestudie mit einem weiterentwickelten Antikörper ist bereits für Dezember 2024 angekündigt.
Initiiert und organisiert wurde die multinationale Studie von der Universität Zürich, Prof. Martin Schwab, und von der Zürcher Universitätsklinik Balgrist, Prof. Armin Curt, in enger Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Heidelberg, Prof. Norbert Weidner, der federführend die Lancet-Publikation betreut hat. Ermöglicht und durchgeführt wurde sie in einem europäischen klinischen Netzwerk. Auch die Follow-Up-Studie wird in diesem Netzwerk stattfinden.
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