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2. April 2024

Background

Suva-Kliniken

Tarife in der Rehabilitation – wohin führt die Reise?

Gesundheitsinstitutionen, die Rehabilitation anbieten, dürfen nicht nur auf ihre Kosten reduziert werden. Kosten müssen im direkten Vergleich zum Angebot stehen. Andernfalls könnte dies substanzielle Auswirkungen auf die künftige Versorgung haben.
Competence Gianni Rossi

Autor

Dr.

Gianni Rossi

CEO Suva-Kliniken

gianni.rossi@rehabellikon.ch

Die Ausgaben in der Rehabilitation haben sich pro Versicherten von 17 Franken im Jahr 2016 auf 20 Franken im Jahr 2021 erhöht. Dies ist festgehalten in der Analyse der Entwicklung der stationären Leistungen zulasten der OKP, die das Bundesamt für Gesundheit (BAG) in Auftrag gegeben hat.1

Die demographische Entwicklung (Zunahme von chronischen Krankheiten und Multimorbidität) sowie der gestiegene Stellenwert der Rehabilitation erklären den Kostenanstieg in diesem Bereich. Der Anteil der Rehabilitation an der Gesamtversorgung bleibt mit knapp sieben Prozent, gemessen an den gesamten Ausgaben für die stationäre Versorgung, weiterhin moderat.

Tarifstruktur ST Reha führt zu Transparenz

Die Einführung der leistungsorientierten Tarifstruktur ST Reha führt zu Transparenz bezüglich des Kosten-Leistungs-Verhältnisses. Allerdings ist diese Transparenz nicht umsonst zu haben. Sie erfordert von den Anbietern ein gerechtfertigtes, aber aufwändiges Datenmanagement.

Was bei reiner Kostenbetrachtung fehlt, ist das Verhältnis zwischen Leistung und Patientennutzen. Höhere Leistungskosten werden den Leistungserbringern angelastet – einhergehend mit der Forderung nach Effizienzsteigerungen. Zu erhöhten Kosten führen auch die allgemeine Teuerung, Regulierungs-Bestrebungen (höhere Verwaltungskosten) oder die für die Digitalisierung nötigen Investitionen. Diese Faktoren werden zu wenig in die allgemeine Diskussion um steigende Kosten eingebracht. Stattdessen werden als Heilmittel zur Kostenkontrolle starre Regulierungen für die Leistungserbringung gefordert. Der Kostendruck auf die Betriebe wird damit erhöht. Gleichzeitig werden von der Politik qualitätssteigernde Massnahmen gefordert.

Die Wirksamkeit der Rehabilitation korreliert mit genügend und differenzierten Therapieeinheiten. Die Effizienz innerhalb der Therapieeinheiten kann nicht beliebig gesteigert werden.

Sorgen Standardisierung und Benchmarking für die Steigerung der Effizienz in der Rehabilitation?

Kostendruck und Betriebsvergleiche sollen die Effizienz der Leistungserbringer steigern. Die Kosten der Rehabilitationskliniken sind sehr unterschiedlich. Dafür gibt es plausible Gründe. Die Betriebe behandeln unterschiedliche Patientengruppen mit differenten Zielsetzungen und erbringen damit unterschiedliche Leistungen. Die Wirksamkeit der Rehabilitation korreliert mit genügend und differenzierten Therapieeinheiten. Die Effizienz innerhalb von Therapieeinheiten kann nicht beliebig gesteigert werden. Die Trainierbarkeit des Menschen unterliegt natürlichen Grenzen, die nicht durch technische oder prozessuale Verbesserungen (=Effizienzsteigerung) verschoben werden können. Wenn sich die Patient:innen in ihrer Funktion verbessern, bedeutet das nicht automatisch, dass sie ihre neu gewonnene Funktion partizipativ und vollständig in ihre Lebensrealität übertragen können. Ein wichtiger Anteil in der Rehabilitation nimmt daher die Gestaltung der künftigen Lebensperspektive zusammen mit dem Patienten, der Patientin ein.

Standardisierte Behandlungspfade

Bei angespannter finanzieller Situation der Leistungserbringer, die in einschlägigen Publikationen dokumentiert ist,2 besteht nur noch die Option die Leistungen anzupassen. Eine bereits genutzte und sinnvolle Möglichkeit besteht in der Standardisierung von Behandlungspfaden. Das ist allerdings bei besonders schwer betroffen Patient:innen nicht immer möglich. Eine erfolgreiche Rehabilitation hängt von einem breiten Angebot und einer individuell angepassten Auswahl an Leistungen ab. Spezielle Leistungen müssen vorgehalten werden, damit eine Rehabilitationsklinik ein zielorientiertes, wirksames Programm bereitstellen kann. Solche Leistungen sollten – sofern sinnvoll und wo möglich – konzentriert angeboten werden. Wichtig ist die modulare Zusammenarbeit mehrerer Leistungserbringer im Sinne der integrierten Versorgung. Wird bei Betriebsvergleichen diesen Umständen Rechnung getragen, sind faire Vergleiche und das Lernen von den Besten möglich. Betriebsvergleiche, die lediglich auf Preisvergleichen basieren, müssen kritisch auf Sachgerechtigkeit geprüft und ihren Effekt auf die Versorgung der Bevölkerung mit Rehabilitationsleistungen hinterfragt werden.

1 Auftraggeber: Bundesamt für Gesundheit (BAG), verantwortlich: Vincent Koch, Claude Vuffray. Autoren: Boris Kaiser, Tino Schönleitner, BSS Volkswirtschaftliche Beratung AG, Aeschengraben 9, 4051 Basel)
2 Beispielsweise PWC: Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2022, Vergleiche der wichtigsten Kennzahlen von Schweizer Spitälern, Ausgabe, September 2023.

Beitragsbild: Rehaklinik Bellikon (zvg)