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2. Dezember 2025

FOCUS

«Ohne Rückhalt wackeln die Stühle unter dem Druck rascher»

Nanda Samimi ist CEO der Forel Klinik AG und Präsidentin der Schweizerischen Vereinigung der Spitaldirektorinnen und Spitaldirektoren SVS. Sie äussert sich zur mutmasslichen Führungskrise in Spitaldirektionen und wann unpopuläre Entscheide gerechtfertigt sind.
Competence Sarah Fogal

Autorin

Sarah Fogal

Redaktionelle Koordination Competence

sarah.fogal@hplus.ch

Nanda Samimi, in letzter Zeit ist es zu auffallend vielen Wechseln in Spitaldirektionen gekommen. Kann von einer Führungskrise in Schweizer Spitälern gesprochen werden?

Nanda Samimi ist CEO der Forel Klinik AG und Präsidentin der Schweizerischen Vereinigung der Spitaldirektorinnen und Spitaldirektoren. (Foto zvg)

«Krise» ist ein zu grosses Wort für die bestehende Dynamik in der Führungsetage von Spitälern. Krisen sind akut und unvorhergesehen. Die seit einiger Zeit sichtbare Dynamik basiert in der Regel nicht auf akuten Problemen und diese sind auch nicht unerwartet. Die häufigen Wechsel sind der Tatsache geschuldet, dass die institutionelle Gesundheitsversorgung insgesamt zunehmend stark unter Druck steht und alte Rezepte für die Spital- und Klinikführung nicht mehr zukunftsträchtig sind. Einigkeit bezüglich neuer Strategien zu schaffen, ist ohne personelle Veränderungen kaum möglich.

Welches sind für Sie die wichtigsten Ursachen für die kurzen Verweildauern von Spitaldirektor:innen?

Die Verweildauern in beruflichen Stellen sind generell kürzer. Ob nun neue oder bestehende Spital- und Klinikdirektor:innen vom Verwaltungsrat auf den Zielkurs geschickt werden, die Aufgaben in den angespannten Situationen der Spitäler und Kliniken sind ohnehin nicht leicht zu bewältigen. Um aus einer schwierigen Lage heraus­zugelangen, müssen unpopuläre Entscheidungen gefällt und umgesetzt werden. Ohne durchgehenden Rückhalt aller involvierten Entscheidungsverantwortlichen wackeln die Stühle von Führungspersonen rascher. Zudem ist es oft einfacher, eine Spitaldirektorin oder einen Spitaldirektor auszuwechseln als eine ganze Klinikleitung.

Um aus einer schwierigen Lage heraus zu gelangen, müssen unpopuläre Entscheide gefällt und umgesetzt werden.

Wie wirkt sich das Direktor:innen-Karussell auf die einzelnen Betriebe aus?

Wo die Wechsel nicht einer in sich schlüssigen Phasenveränderung folgen, ist Diskontinuität kontraproduktiv. Was immer gilt: Mit jedem Führungswechsel beschäftigt sich eine Organisation aufs Neue eine längere Zeit mit sich selbst. Die Unruhe führt zu weiteren Wechseln. Die Fluktuation kostet viel Kraft und Geld. Viele fähige Mitarbeitende zieht es ebenso weg. Angesichts des aktuellen und brisanten Fachkräftebedarfs ist dies umso schädlicher. Transformation und Veränderung sind zu befürworten, aber bitte nicht unnötig kräftezehrend.

Welche Rolle spielt die Kommunikation – intern zwischen den Fachbereichen, aber auch gegenüber Mitarbeitenden und der Öffentlichkeit?

Wie man kommuniziert ist zentral. In Veränderungsprozessen muss die Kommunikation in der Lage sein, zeit- und adressatengerecht Kontext zu schaffen und glaubwürdig zu sein. Das Vertrauen der Mitarbeitenden in die Führung bleibt so bestehen und man kann gemeinsam vorwärts arbeiten.

Mit jedem Führungswechsel beschäftigt sich eine Organisation aufs Neue längere Zeit mit sich selbst. Die
Unruhe führt zu weiteren Wechseln.

Wie unterscheiden sich die Herausforderungen zwischen kleinen und grossen Spitälern?

Die Rahmenbedingungen wirken grundsätzlich grössenunabhängig auf die Institutionen, wobei die kleinen Spitäler ein grösseres Fixkostenproblem haben und bei den grösseren Spitälern alles ein wenig komplexer ist. Analysieren müsste man auch die Rolle der Kantone, bzw. inwieweit die «Rettungsschirme» wettbewerbsverzerrend sind.

Welche Governance-Mängel oder -Spannungs­felder treten aus Ihrer Sicht besonders häufig auf?

Ganz bestimmt sind heute immer noch die verschiedenen Rollen ein grosses Thema: Kantone als Eigentümer und Regulatoren, Gemeinden als Eigentümer mit Einsitz im strategischen Gremium. Doppelrollen bergen die Gefahr von Interessenkonflikten. Sie führen dazu, dass die problematischen Themen nicht früh und dezidiert genug angegangen werden.

Welche Führungsansätze oder Modelle haben sich Ihrer Meinung nach bewährt, um Krisen­situationen in Kliniken erfolgreich zu meistern?

In schwierigen Situationen müssen sich die Führungsverantwortlichen – unabhängig von Modell und Führungsstil – über alle Stufen geschlossen den offensichtlichen Themen stellen und diese konsequent mit allen Unbequemlichkeiten lösen. Das braucht eine entsprechende Unternehmenskultur. Statt Unvermeidbares möglichst lange abzuwenden, ist es wichtig, es aktiv anzugehen, und zwar gemeinsam. Je schneller, desto besser. Nicht zuletzt heisst es, Krisen sind Chancen.

Die aktuelle Finanzierungssystematik ist so angelegt, dass es früher oder später kein Spital und keine
Klinik mehr geben wird. Die Teuerung müsste in den Tarifen künftig fix berücksichtigt werden.

Was müsste sich auf struktureller oder politischer Ebene ändern, um Führungskrisen im Spital­bereich langfristig vorzubeugen?

Die Formel fern von der Kostendruckdiskussion ist ganz einfach: Was wir an medizinischem Leistungsumfang in bestimmter Qualität gesetzlich festlegen, muss auch von uns bezahlt werden können. Die aktuelle Finanzierungssystematik ist so angelegt, dass es früher oder später kein Spital und keine Klinik mehr gibt. Weder Leistungskatalogkürzungen noch die Ambulantisierung können diese zugrundeliegende Fehlsteuerung beheben. Das Mindeste wäre die Teuerung künftig in den Tarifen fix zu berücksichtigen. Das liesse sich niederschwellig realisieren und würde die Situation zumindest etwas entschärfen.

Beitragsbild: Canva

   

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