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19. August 2025

Background

Interview mit dem neuen Leiter Digitalisierung

Wie H+ die Spitäler gezielt bei der Digitalisierung unterstützt

Schweizweite Standards und weniger Silodenken: Mauro Welte erläutert seine Ziele als Leiter des Geschäftsbereichs Digitalisierung von H+. Dabei konzentriert er sich insbesondere auf praktische Lösungen, gemeinsame Ansätze und adäquate Rahmenbedingungen.
Competence Martina Greiter

Autorin

Martina Greiter

Redaktorin Competence deutsche Schweiz

martina.greiter@hplus.ch

Herr Welte, Sie haben am 1. Februar 2025 die neu geschaffene Funktion als Leiter des Geschäfts­bereichs Digitalisierung bei H+ übernommen. Welche Hauptziele verfolgen Sie?

Mauro Welte, Leiter Geschäftsbereich Digitalisierung von H+

Um die Spitäler und Kliniken in der Digitalisierung voranzubringen, habe ich drei Hauptprioritäten. Erstens gilt es, eine sinnstiftende Digitalisierung mit schweizweiten Standards zu ermöglichen – etwa eine eMedikation, die von Genf bis Chur funktioniert. Die Herausforderung liegt dabei in der Vielfalt der Akteure und der IT-Systeme im ambulanten und stationären Bereich.

Zweitens geht es um die Finanzierung der Digitalisierung?

Ja, das ist und bleibt ein Knackpunkt. Beim Initialaufwand entsteht der Mehrwert nicht immer direkt beim Investierenden. Wenn etwa Hausärzt:innen in die Einführung von eRezepten investieren, profitieren zunächst vor allem die Apotheken von der Automatisierung. Erst später haben dann auch die Hausärzt:innen Vorteile – durch die transparentere und klarere Übersicht bezüglich der Einhaltung von Therapiezielen. Hier setzen wir uns gemeinsam mit den verschiedenen Akteuren für Anreizsysteme ein, die eine flächendeckende Umsetzung solcher Lösungen ermöglichen.

Drei Prioritäten von Mauro Welte zur Förderung der Digitalisierung in Spitälern: 1. Sinnstiftende Digitalisierung mit nationalen Standards, 2. Anreizsysteme für flächendeckende Umsetzung, 3. Netzwerk für politische Einflussnahme.

Die Akteure sollen ihren Blick also stärker auf das Ganze richten?

Absolut. Es ist Zeit, das Silodenken zu überwinden und vernetzt zu denken. Wichtig ist, sich schrittweise auf einzelne Anwendungsfälle zu konzentrieren wie z. B. die eMedikation. Diese ist für alle Leistungserbringer relevant und würde die Patientensicherheit erhöhen.

Und welches ist Ihre dritte Priorität?

Digitalisierung ist auch ein politisches Thema. Hier will ich mit den Akteuren zusammen ein Netzwerk aufbauen, um gemeinsam auf politischer Ebene Einfluss zu nehmen. Dabei soll H+ als Digitalisierungs-Mitstreiterin wahrgenommen werden.

Mauro Welte: «Die Akteure sollen den Blick stärker auf das Ganze richten, Es ist Zeit, vernetzt zu denken und das Silodenken zu überwinden.»

Welche Massnahmen sind rasch umsetzbar?

Der administrative Aufwand kann in Spitälern mit kleineren Anpassungen reduziert werden. Ein Beispiel: Wenn Blutdruckwerte händisch nachgetragen werden müssen, weil das Blutdruckgerät nicht mit dem KIS verbunden ist. Ausserdem braucht es eine saubere Strukturierung der internen Daten. Solche Grundlagen müssen wir zuerst erarbeiten, bevor wir über künstliche Intelligenz nachdenken. Wie die Spitäler und Kliniken ihre Prozesse intern konkret gestalten, ist nicht mein Aufgabenbereich. Für H+ ist vor allem die Vernetzung der Akteure zentral.

Digitalisierung braucht nationales Commitment und einheitliche Standards – die
eMedikation muss unter allen Akteuren funktionieren. Im Swiss Health Data Space, im Rahmen von DigiSanté, soll die eMedikation als erster Anwendungsfall branchenübergreifend umgesetzt werden.

Wie kann H+ die Spitäler dabei unterstützen, eine effiziente und sichere digitale Vernetzung voranzutreiben?

Verbindliche Rahmenbedingungen für alle Akteure sind das A und O. Beim eRezept führen Vorgaben hinsichtlich des Formats zu mehr Investitionssicherheit. Zudem braucht es ein gesamtheitliches Commitment der Branche entlang des Behandlungspfades der Patient:innen im ambulanten und stationären Bereich, sodass das eRezept in jeder Apotheke wirklich eingelöst werden kann. Hier kann H+ darauf hinwirken, Standards im Sinne der Spitäler zu definieren. Deshalb bin ich in der Fachgruppe Datenmanagement aktiv sowie Co-Vorsitzender des Branchengremiums von DigiSanté – Gremien, in denen solche Themen diskutiert und priorisiert werden.

Im Herbst startet eine Totalrevision des EPDG, die frühestens 2030 in Kraft tritt. Welche Massnahmen wären aber heute schon möglich?

Leistungserbringer können heute schon strukturierte Daten ins EPD einspeisen. Dadurch hätte die Bevölkerung an einem Ort Zugriff auf die Daten über ihre Gesundheit. Das automatische Hochladen ist aber leider im ambulanten Bereich noch selten etabliert und die Daten manuell hochzuladen, ist zeitlich nicht umsetzbar.

KI-Anwendungen werden dann spannend, wenn mit Hilfe von Algorithmen die Gesamtheit aller individuellen medizinischen Daten einer Patientin, eines Patienten über Jahre hinweg beurteilt werden kann.

Themawechsel: Welche KI-Anwendungen sind für Spitäler besonders erfolgsversprechend?

Das grösste Potenzial sehe ich bei administrativen Prozessen, um Zeit zu sparen. KI könnte aber auch im medizinischen Bereich einen grossen Mehrwert bieten. Spannend wird es, wenn mit Hilfe von Algorithmen die Gesamtheit der medizinischen Daten eines Patienten, einer Patientin über mehrere Jahre hinweg ganzheitlich beurteilt werden kann.

Digitalisierung erfordert kulturellen Wandel. Was kann H+ hier beitragen?

Die Verantwortung liegt hier bei den einzelnen Spitälern. H+ kann aber einen Erfahrungsaustausch unter den Spitälern aufbauen, um Best Practices zu definieren und zu teilen.

Ich lade die Spitäler dazu ein, mich über entsprechende Vorhaben zu informieren, um eine bessere Gesamtsicht zu erhalten, Synergien zu schaffen und allenfalls Vorhaben aus der Region auf nationaler Ebene zu verankern.

Wie wird sich die Digitalisierung in Schweizer Spitälern in den kommenden Jahren entwickeln?

Die Spitäler überlegen vermehrt, wo und wie sie ihre Daten organisieren. Dies wird auch in Zukunft wichtig sein, gerade für die sektorübergreifende Kommunikation. Eine Chance sehe ich im Swiss Health Data Space im Rahmen von DigiSanté. Dort soll die eMedikation als erster Anwendungsfall branchenübergreifend umgesetzt werden.

Was möchten Sie abschliessend den Spital­verantwortlichen mitteilen?

Ich stelle fest, dass sich alle Spitäler mit der Digitalisierung befassen. Diesen Weg sollen sie weiterverfolgen und zur Inspiration auch weiterhin über den Tellerrand hinausschauen. Auch ist es wichtig, die Thematik gemeinsam anzugehen. Ich lade die Spitäler dazu ein, mich über entsprechende Vorhaben zu informieren, um eine bessere Gesamtsicht zu erhalten, Synergien zu schaffen und allenfalls Vorhaben aus der Region auf nationaler Ebene zu verankern.

Beitragsbild: Eine schweizweit vernetzte eMedikation ist für viele Beteiligte sinnstiftend und soll laut Mauro Welte prioritär gefördert werden. (Foto: Canva)

   

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