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10. Juni 2025

Background

Medizinische Zwischenfälle

Was tun, wenn ein Strafverfahren droht?

Strafverfahren nach medizinischen Zwischenfällen können schwer belasten: einzelne Mitarbeitende, ganze Teams, aber auch die Spitalleitung. Einige Verhaltensempfehlungen.
Competence Alex de Capitani

Autor

Alex de Capitani

Rechtsanwalt

alex.decapitani@decapitani-law.ch

Competence Peter Jäger

Autor

Peter Jäger

Rechtsanwalt

ra@pjaeger.ch

Competence Angela Schweiter

Autorin

Angela Schweiter

Rechtsanwältin

ra@aschweiter.ch

Keine Seltenheit: Im Spital kommt es zu einem medizinischen Zwischenfall. Wann jedoch führt er zu einem Strafverfahren? Oft liegt der Grund in der mangelhaften Kommunikation.

Wenn Warnsignale für ein drohendes Strafverfahren auftreten, empfiehlt es sich, Sofortmassnahmen zu treffen.

Ein vertrauensbildendes Gespräch mit Patient:innen oder Angehörigen kann manche Strafanzeige ver-hindern. Voraussetzung dafür ist, dass ihre Sorgen und Fragen ernst genommen werden und ehrlich, offen und verständnisvoll darauf eingegangen wird («Es tut uns sehr leid»). Patient:innen sollen wissen, dass das Spital und die Ärzt:innen und Pflegenden alles daran setzen, sie bestmöglich weiterzubehandeln, aber auch den Vorfall zu analysieren und die notwendigen Lehren daraus zu ziehen.

Manchmal ist es anders, als es scheint

Medizinalpersonen neigen nach Zwischenfällen dazu, die Schuld bei sich zu suchen, da sie noch unter Schock stehen. Nach einer gewissen Zeit wird vieles klarer. Es kann sich herausstellen, dass es sich nicht um einen Fehler, sondern um eine schicksalhafte Komplikation handelte. Aus diesem Grund sollten sie nur über die Fakten, den Verlauf der Behandlung und die weiteren Behandlungsmöglichkeiten informieren. Sie sollten ferner vermeiden:

  • den Vorfall wertend zu beurteilen,
  • eine «Schuld» oder einen «Fehler» zu anerkennen und eine Entschuldigung auszusprechen, ausser in klaren Fällen, dann aber ohne Schuldzuweisungen,
  • eine Haftung zuzugestehen.

Warnsignale

Es gibt Warnsignale dafür, dass eine Strafuntersuchung droht oder bereits läuft:

  • es liegen klare Anhaltspunkte für einen Fehler vor,
  • es ist zu einer Komplikationskette gekommen,
  • das Spital hat der Polizei einen aussergewöhnlichen Todesfall gemeldet,
  • das Gespräch mit Patient:innen oder Angehörigen ist eskaliert,
  • Vorwurf, dass Akten fehlen oder die Kranken­geschichte manipuliert sei,
  • die Staatsanwaltschaft verlangt die Herausgabe von Akten oder Angaben zum Vorfall und zu Beteiligten,
  • Vorladungen der Strafbehörden.

Sofortmassnahmen

Bei drohendem Strafverfahren empfehlen sich folgende Sofortmassnahmen:

  • Rat suchen, z. B. bei Rechtsdienst, Strafverteidiger!
  • Keine Beweismittel wie Krankengeschichte, Bildgebung, Proben, benutzte Medikamente, Verbrauchsmaterialien etc. verändern oder beseitigen!
  • Ein Gedächtnisprotokoll mit detaillierten Angaben zum Zwischenfall, zu Zeit, Zeugen, getroffenen Mass­nahmen, Besonderheiten usw. erstellen. Und zwar baldmöglichst nach dem Vorfall. Strafverfahren dauern oft jahrelang und Erinnerungen verblassen rasch. Das Protokoll datieren, unterschreiben und persönlich aufbewahren. Gedächtnisprotokolle gehören nicht in die Krankengeschichte.
  • Stellungnahme der Spitalleitung zum Vorfall? Wer erteilt Dritten Auskunft? Anmeldung bei der Haftpflichtversicherung?
  • Achtung Schweigepflicht! Entbindungen einholen, sofern Dritte involviert werden. Siegelung verlangen, wenn die Polizei etwas beschlagnahmt.
  • Interne Aufarbeitung des Vorfalls: Dokumentation? Eintrag im CIRS?
  • Wie erfolgt die interne und externe Koordination?
  • Bei einer Vorladung durch Strafbehörden: Aussagen nur nach vorgängiger Besprechung mit einem Anwalt! Strafbehörden können medizinische Aussagen missverstehen. In der Regel sollten keine Aussagen ohne vorgängige Akteneinsicht gemacht werden.

Fazit

Medizinische Zwischenfälle sind im Klinikalltag nicht ungewöhnlich, doch eine transparente und einfühlsame Kommunikation kann oft Eskalationen verhindern. Entscheidend ist, Betroffene ernst zu nehmen, ohne vorschnell eigene Schuld anzuerkennen. Droht ein Strafverfahren, sind rechtzeitige Beratung, sorgfältige Dokumentation und abgestimmtes Handeln wichtig.

Beitragsbild: Canva

   

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