Frauen hatten 2022 eine um 3,8 Jahre höhere Lebenserwartung bei Geburt als Männer (85,4 Jahre gegenüber 81,6 Jahren). Der Vorteil der Frauen bezüglich der Lebenserwartung bei Geburt wird jedoch durch den geringeren Unterschied hinsichtlich der Lebenserwartung bei guter Gesundheit abgeschwächt. Sie liegt 0,4 Jahre über jener der Männer (72,1 Jahre gegenüber 71,8 Jahren).
Die zusätzlichen Lebensjahre verbringen Frauen oft mit bestimmten Gesundheitsproblemen. Frauen berichten z.B. häufiger über Einschränkungen im Alltag seit mindestens sechs Monaten (30% gegenüber 24%) und leiden nach eigenen Angaben öfter an mindestens einer chronischen Krankheit (55% gegenüber 44%) oder an spezifischen Schmerzen wie Rücken- oder Kreuzschmerzen (50% gegenüber 40%).
2022 war die Hälfte der Männer (52%) und ein Drittel der Frauen (34%) übergewichtig oder adipös. Obwohl Frauen weniger davon betroffen sind, sind sie insgesamt unzufriedener mit ihrem Körpergewicht als Männer (28% gegenüber 23%). Noch deutlicher zeigt sich dieser Trend bei den Übergewichtigen. Dort waren 2022 insgesamt 52 Prozent der Frauen und 29 Prozent der Männer mit ihrem Gewicht unzufrieden.
Das Gewicht wird nicht nur durch biologische Faktoren beeinflusst, sondern auch durch geschlechtsspezifische Normen in Bezug auf Körper und Korpulenz. In der Gesellschaft gilt ein schlanker Körper bei Frauen als Norm für Schönheit und Gesundheit. Bei den Männern hingegen entspricht ein kräftigerer Körper, der positiv mit Stärke konnotiert wird, der Idealvorstellung.
Der geschlechtsspezifische Unterschied beim Rauchen ist seit dreissig Jahren rückläufig. Er hat sich zwischen 1992 und 2022 von 13 auf 6 Prozentpunkte halbiert. 2022 rauchten Frauen zwischen 15 und 24 Jahren gleich häufig wie gleichaltrige Männer (26% gegenüber 25%). Auch der Umstand, dass Frauen später mit dem Rauchen begonnen haben, lässt sich mit sozialen Geschlechternormen erklären. Entsprechend machten sich die gesundheitlichen Folgen des Rauchens wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs oder Atemwegserkrankungen bei den Frauen erst später bemerkbar.
In der Befragung berichteten mehr Frauen (12%) als Männer (8%) von mittelschweren bis schweren Depressionssymptomen. Bei den 15- bis 24-Jährigen ist der Unterschied sogar doppelt so gross (26% der Frauen gegenüber 13% der Männer). Frauen zwischen 15 und 24 Jahren befanden sich in den letzten zwölf Monaten nach eigenen Angaben auch deutlich häufiger wegen psychischer Probleme in Behandlung als Männer (14% gegenüber 4%).
Diese Geschlechtsunterschiede hinsichtlich des Risikos, im Lauf des Lebens an einer Depression zu erkranken, sind bekannt. Die Unterschiede treten in der Pubertät auf und bleiben bis ins hohe Alter bestehen. Erklärt werden sie teilweise mit den in der Pubertät vermehrt produzierten Sexualhormonen, z.T. aber auch mit geschlechtsspezifischen gesellschaftlichen Faktoren, insbesondere psychosozialem Stress.
Frauen sind häufiger von Sexismus und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz oder im öffentlichen Raum betroffen. Sie sind auch stärkerer Belastung durch unbezahlte Haus- und Familienarbeit ausgesetzt, die oft unsichtbar ist und zusätzlich zu einer Erwerbsarbeit verrichtet wird.
Geschlechtlich und/oder sexuell diverse Personen (siehe unten im aufklappbaren Text) sind im Übrigen anfälliger für psychische Probleme als heterosexuelle Cis-Frauen und Cis-Männer, bei denen die Geschlechtsidentität mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt.
Die Schweizerische Gesundheitsbefragung 2022 hat erstmals Informationen zur Geschlechtsidentität erhoben, die über die binäre Kategorisierung Mann/Frau hinausgehen, und die Personen zur sexuellen Orientierung befragt. Die Geschlechtsidentität bezieht sich auf die empfundene Geschlechtszugehörigkeit (Frau, Mann oder non-binär). Eine Person, deren Geschlechtsidentität mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt, wird als Cis-Person kategorisiert. Bezeichnet sich eine Person als «nonbinär», wird sie auch als solche kategorisiert. Stimmt die Geschlechtsidentität «Frau» oder «Mann» nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht überein, wird die Person als «transgender» kategorisiert.
Die sexuelle Orientierung umfasst i.d.R. drei Dimensionen: die sexuelle oder emotionale Anziehung, das Geschlecht der Sexualpartnerin oder des Sexualpartners und die Selbstidentifikation. Personen, die sich sexuell nicht ausschliesslich zu andersgeschlechtlichen Personen hingezogen fühlen, Sex mit gleichgeschlechtlichen Partnerinnen oder Partnern haben oder sich selbst nicht als heterosexuell identifizieren, werden als nicht ausschliesslich heterosexuell kategorisiert.
Anhand der drei Dimensionen der sexuellen Orientierung konnte in Verbindung mit der Geschlechtsidentität eine Variable konstruiert werden, die zwischen ausschliesslich heterosexuellen Cis-Personen und geschlechtlich und/oder sexuell diversen Personen unterscheidet. Zu dieser Kategorie gehören zum Beispiel Personen, die sich als schwul oder lesbisch bezeichnen und/oder sich zu gleichgeschlechtlichen Personen hingezogen fühlen und/oder sich als non-binär identifizieren.
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