Die Geschichte der Zulassungssteuerung begann bereits 2001, als erstmals eine Bedürfnisklausel eingeführt wurde. Befürchtet wurde damals eine Einwanderungswelle von Ärztinnen und Ärzten aus der EU aufgrund des Freizügigkeitsabkommens. Seither hat das Parlament drei Verlängerungen und später einen dringlichen Bundesbeschluss verabschiedet, der wiederum dreimal verlängert wurde.
Die KVG-Änderung über die Zulassung der Leistungserbringenden vom 19. Juni 2020 hätte die letzte und definitive Regelung sein sollen. Doch bereits nach einem Jahr mussten Ausnahmebestimmungen für die Grundversorgung beschlossen werden. Mit dieser Massnahme sollen die Kantone einer Unterversorgung in der ambulanten Grundversorgung entgegenwirken können. Die nächsten Ausnahmen werden nicht lange auf sich warten lassen, denn bereits heute berichten Parlamentarierinnen und Parlamentarier über Versorgungsprobleme mit Spezialärztinnen und Spezialärzten in Randregionen. Damit ist absehbar, dass sich die Regulationsspirale munter weiterdrehen wird. Auch werden die aktuellen Umsetzungsprobleme der Zulassungssteuerung, die eine beängstigende Bürokratie und viel Rechtsunsicherheit verursachen noch manche Verwerfungen zur Folge haben. Die wesentliche Frage lautet: Was läuft in diesem Dossier falsch?
Die Steuerung der ambulanten Versorgung wird fast ausschliesslich unter dem Blickwinkel der Kostentwicklung betrachtet. Der rote Faden, der sich über all die Jahre durch die Diskussionen zieht, ist die Gleichung «zusätzlicher Leistungserbringer = zusätzliche Kosten». Im Umkehrschluss: «Angebotssteuerung = Kostenkontrolle». Dabei ist die von den Kantonen lancierte Bewegung «ambulant vor stationär» keineswegs als Widerspruch zu dieser Logik zu verstehen. Die primäre Motivation der Kantone war, wie jeder halbwegs Eingeweihte weiss, finanzieller Natur. Eine Verlagerung aus dem stationären in den ambulanten Bereich bedeutet eine Entlastung der kantonalen Finanzen (und eine Überwälzung der Kosten auf die Prämienzahler). Welchen medizinischen Nutzen die Ambulantisierung tatsächlich bringen könnte, wurde erst nachträglich diskutiert, gelegentlich ernsthaft, oft aber mit übertriebenen Erwartungen. Dass keinem Kostenträger jemals in den Sinn kam, die Tarife an die Ambulantisierung anzupassen, verrät, dass es bei dieser Übung primär um Kosteneinsparungen geht.
Es ist bei der Zulassungssteuerung so wie in vielen anderen Bereichen der Gesundheitsversorgung: eine vom Kostenprimat beherrschte Gesundheitspolitik ist letzten Endes zum Scheitern verurteilt. Gesundheitspolitik sollte zum Ziel haben, eine medizinisch und pflegerisch hochstehende Versorgung zu tragbaren Kosten zu garantieren. Darüber, wie diese auszusehen hat und zukunftsfähig gestaltet werden soll, gibt es jedoch keine überzeugenden Konzepte.
Wie sollen wir den demografischen Tsunami bewältigen? Wie viele Gesundheitsfachleute in welchem Skill-Grade-Mix brauchen wir? Wie sollen Ärztinnen und Pflegefachmänner im ambulanten Bereich aus- und weitergebildet werden? Wie sollen innovative Behandlungsmethoden und Technologien den Weg in den klinischen Alltag finden? Fragen über Fragen, zu denen die hilflos wirkenden Höchstzahlenkonzepte der Zulassungssteuerung keine Antworten liefern. Die von bürgerlicher Seite zu erwartende Alternative zur Zulassungssteuerung, die Vertragsfreiheit und deren Spielvarianten, wird genauso scheitern, weil auch dort die Kosten im Vordergrund stehen.
Es ist höchste Zeit, dass sich die Gesundheitspolitik vom Kostenprimat verabschiedet. Dringend benötigt werden fachlich und sachlich fundierte Versorgungskonzepte, die den kommenden Herausforderungen gerecht werden. Erst dann werden seriöse Diskussionen über Finanzierungsmechanismen möglich sein.