Ertragsoptimierung, Neubauten und Serviceleistungen stehen in unserem Gesundheitssystem stark im Fokus. Kosteneffizienz ist notwendig, sie darf aber nicht die einzige Vision für unsere Gesundheitsversorgung darstellen. Stattdessen muss die eigentliche Raison dʼêtre des Gesundheitswesens ins Zentrum gerückt werden: die Patient:innen und die Optimierung des Behandlungserfolgs, das heisst des Outcomes. Das subjektive Empfinden der Patient:innen von qualitativ hochstehenden und patientenzentrierten Behandlungen muss durch Messzahlen untermauert sein, die die Outcomes, und nicht Strukturen oder Prozesse, abbilden.
Patientenrelevante Outcome-Daten ermöglichen dem interprofessionellen und interdisziplinären Leadership-Team die Behandlung zu optimieren, indem es intern und extern von den Besten lernt. Es kann so eine institutionelle Kultur entstehen, in welcher allen Mitarbeitenden bewusst wird, dass in keinem Spital der Welt alle medizinischen Leistungen immer in der besten Qualität erbracht werden können – vielmehr ist eine optimale medizinische Leistung das Resultat eines kontinuierlichen Lernprozesses, in dem patientenrelevante Qualitätsindikatoren dauernd optimiert werden.
Auch wenn sich viele Akteure im Schweizer Gesundheitswesen zu den eben geschilderten Prinzipien bekennen, verfügen wir über wenige nationale, risikoangepasste und patientenrelevante Qualitätsmesszahlen. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass nationale Messzahlen, die beispielsweise den Outcome «Tod» erfassen, wie etwa die Mortalitätsstatistiken des BAG, nicht unproblematisch sind. Denn eine erhöhte Mortalität, etwa bei einer Lungenentzündung, muss nicht zwingend das Zeichen einer schlechten medizinischen Qualität, sondern kann vielmehr ein Indikator für eine vernünftige und patientenzentrierte Medizin sein, die die Werte und Wünsche der Patient:innen respektiert – eine gutgemeinte Messzahl kann also eine «patienten-dezentrierte» Medizin fördern.
Leader:innen bei den Leistungserbringenden, Regulatoren und Krankenkassen sollten sich noch stärker dafür einsetzen, dass eine begrenzte Anzahl an patientenrelevanten Qualitätsindikatoren überregional, automatisiert und in Echtzeit erfasst werden, die transparent kommuniziert und diskutiert werden können. Für die meisten Patient:innen ist die Lebensqualität mindestens so wichtig wie die Lebensquantität. Der individuelle optimale Outcome muss sich also an den Werten und Präferenzen der Patient:innen orientieren.
Vor über 15 Jahren wurden genau mit diesem Ziel sogenannte Patient Reported Outcome Measures (PROMs) entwickelt, die in standardisierter und informatisch einfach umsetzbarer Form vorliegen.
PROMs (z. B. von www.ICHOM.org) erlauben es, bei über 50 Krankheitsbildern und Interventionen den Outcome zu erfassen mittels klinischer Daten etwa zur Mortalität, zu Rezidivraten und Komplikationen sowie aus Patientensicht zur Lebensqualität, zu Angst, Depression, Schmerzen, zur sexuellen Gesundheit etc.
Leadership und Mut sind notwendig, sich als Leistungserbringende bzw. als Spital oder Klinik die Optimierung solcher Outcomes zuoberst auf die Fahne zu schreiben und andere strukturelle und organisatorische Bedürfnisse diesem Ziel unterzuordnen. Setzen Leistungserbringende dies konsequent um, können sie damit sehr viele Aspekte der medizinischen Leistungserbringung einbinden und optimieren.
Das klare Bekenntnis eines Leistungserbringers zu einer evaluierten Patient:innenzentriertheit und deren Optimierung dürfte auch die Rekrutierung von entsprechend motivierten Fachkräften begünstigen.
Unsere Politik will, dass das Gesundheitswesen auf Wettbewerb ausgerichtet ist. Dies erfordert aber eine «Choice Architecture» und «Navigability» im Sinne des Harvard-Juristen und Verhaltensökonomen Cass Sunstein, die im Gesundheitswesen momentan nur beschränkt zur Verfügung stehen.
Viele der nationalen und internationalen Spital-Rankings beruhen primär auf Daten zu Reputation und Patientenzufriedenheit, die wenig über die Outcome-Qualität Auskunft geben. Wären patientenrelevante Outcome-Messzahlen transparent verfügbar, könnten Patient:innen informierte Entscheide treffen, in welcher Institution sie sich für welche Erkrankungen am besten behandeln lassen.
Ein solcher Paradigmenwechsel erfordert Mut, Vision und Engagement von Leader:innen aller Berufsgruppen und Sparten im Gesundheitswesen. Er wird es uns ermöglichen, den Diskurs und das Handeln auf das auszurichten, weshalb wir einen Beruf im Gesundheitswesen ergriffen haben: das Wohl der Patient:innen.
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