Mit einer gezielten Immuntherapie kann die körpereigene Immunabwehr in die Lage versetzt werden, Tumorzellen zu erkennen und diese zu eliminieren. Die Therapie kann aber bei bis zu 20 Prozent der Patient:innen zu einer Pneumonitis führen. Die genauen Ursachen dieser Nebenwirkung waren bisher unklar.
Nun hat eine internationale Forschergruppe rund um Studienleiter Prof. Dr. Lukas Flatz vom Kantonsspital St.Gallen neue Erkenntnisse gewonnen, die mithelfen können die Sicherheit und Wirksamkeit der Immuntherapie für Krebspatient:innen zu verbessern und neue Wege zur Behandlung von schweren Nebenwirkungen aufzuzeigen. Die Ergebnisse wurden kürzlich in einem der renommiertesten Fachjournals der Pneumologie, dem American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine veröffentlicht.
Das Immunsystem schützt den Körper vor fremden Stoffen und Krankheitserregern. Krebszellen haben unterschiedliche Strategien entwickelt, diesen natürlichen Abwehrfunktionen des Immunsystems zu entkommen oder diese zu unterdrücken. Eine Strategie von Krebszellen besteht darin, die Bremsfunktion der Immun-Checkpoints auszunutzen und selbst an die Checkpoints anzudocken. In der Folge können sich die Krebszellen somit ungehindert ausbreiten.
Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) sind Medikamente, die dieses Andocken der Krebszellen an die Checkpoints der Immunzellen erfolgreich verhindern. Wie bei jeder anderen Krebstherapie können dabei aber auch unerwünschte Nebenwirkungen auftreten. Immuntherapie-bedingte Nebenwirkungen kommen häufig vor, sind in den meisten Fällen jedoch leicht bis mässig ausgeprägt. Es kann aber auch zu schwerwiegenderen Nebenwirkungen kommen. So kann eine Immuntherapie bei bis zu 20 Prozent der Patient:innen zu einer ICI-bedingten Pneumonitis führen. Die genauen Ursachen, warum manche Patient:innen an dieser Nebenwirkung leiden, während andere verschont bleiben, waren bisher unklar.
Das Forscherteam rund um Prof. Dr. Lukas Flatz – er ist sowohl am Kantonsspital St.Gallen als auch am Universitätsklinikum Tübingen (D) tätig – hat für die interdisziplinäre Studie gemeinsam mit Kolleg:innen aus der Schweiz, Deutschland und den USA eine Kohorte von Krebspatient:innen untersucht, die vor und während der Behandlung mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren Blutproben abgaben. Diese Proben wurden für umfassende Analysen verwendet.
Die Ergebnisse der Studie waren bemerkenswert: So stellte sich heraus, dass Patient:innen, die eine Pneumonitis entwickelten, vor der Behandlung höhere Konzentrationen von Immunglobulin-G-Autoantikörpern gegen das wichtige Lungenprotein Surfactant-B aufwiesen. Dieses Protein ist wichtig für die Funktion der Lungenoberfläche. Darüber hinaus wiesen diese Patient:innen zu Beginn der Pneumonitis eine höhere Häufigkeit von speziellen Immunzellen auf, die spezifisch auf das Surfactant-Protein-B reagieren.
Die Forscher folgerten daraus, dass das gemeinsame Auftreten von Surfactant-Protein-B-spezifischen Immunglobulin-G-Autoantikörpern und Immunzellen mit der Entwicklung einer Pneumonitis während der ICI-Therapie verbunden sein könnte. Diese Ergebnisse könnten dazu beitragen, Patient:innen zu identifizieren, die ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung dieser Nebenwirkung haben, und könnten möglicherweise zur Entwicklung von Biomarkern beitragen, die Ärzt:innen helfen, Risiken besser zu bewerten und Behandlungen anzupassen.
Beitragsbild: Eine gezielte Immuntherapie kann bei bis zu 20 Prozent der Patient:innen zu einer Pneumonitis führen (Foto: Canva.com).