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10. Oktober 2023

FOCUS MEDIKAMENTENMANGEL

Versorgungssicherheit in der Schweiz ist ungenügend

Eine sichere Versorgung mit Medikamenten gehört zu den Qualitäten eines intakten Gesundheitssystems und starken Pharmastandorts. Leider ist diese Qualität gefährdet, haben die Versorgungslücken bei den Medikamenten in den letzten Jahren doch bedrohlich zugenommen. Wie kann es sein, dass wir uns als Schweiz nicht mit genügend Medikamenten versorgen können?
Competence Ernst Niemack

Autor

Ernst Niemack

Geschäftsführer, Vereinigung Pharmafirmen in der Schweiz (vips)

ernst.niemack@vips.ch

Zurzeit sind rund tausend Medikamentenpackungen nicht lieferbar. Es sind sowohl Medikamente zur Behandlung von schwerwiegenden Krankheiten als auch solche der Grundversorgung betroffen. Leidtragende sind die Patient:innen, da ihre Therapien und Heilungschancen durch die Engpässe gefährdet sind.

Bei der Frage der Verfügbarkeit geht es neben der hoch innovativen Spitzenmedizin genauso auch um die vielen etablierten Therapien der Grundversorgung mit grossem Nutzen für die breite Bevölkerung.

Unternehmen sind oftmals gezwungen, ihre Produktionen ins ferne Ausland zu verlagern, Anbieter werden aus dem Schweizer Markt gedrängt.

Die Gründe für die prekäre Versorgungssituation sind vielfältig: weltweite Konzentration von Produktionsstandorten, Konzentration der Wirkstoffhersteller, schwieriger werdende Lieferketten, zunehmende Regulierungsdichte sowie undifferenzierte Preisgestaltung in der Schweiz.

Monopolisierung des Angebots in der Schweiz

Der Bund hat die Medikamentenpreise in den letzten Jahren so stark gesenkt, dass die Tagesdosis einzelner Medikamente heute weniger kostet als ein Kaugummi. Unternehmen sind oftmals gezwungen, ihre Produktionen ins ferne Ausland zu verlagern, Anbieter werden aus dem Markt gedrängt. Die Folge – eine Monopolisierung des Angebotes in der Schweiz mit verheerenden Konsequenzen. Patient:innen sowie Leistungserbringende müssen drastische Einschränkungen bei Versorgungssicherheit und -qualität in Kauf nehmen.

Die Versorgung der Patient:innen darf nicht einem simplifizierten «Billigstprinzip» zum Opfer fallen.

Die Vereinigung Pharmafirmen in der Schweiz (vips) hat schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass ein reiner Kostenfokus auf die Medikamente ein Versorgungsproblem zur Folge haben wird. Nutzen, Versorgung und Qualität wurden – obwohl vom KVG verlangt – weitgehend ignoriert. Die Versorgung der Patient:innen darf nicht einem simplifizierten «Billigstprinzip» zum Opfer fallen.

Innovationen kommen nicht nur bei neuen Therapien zum Tragen. Auch bei der Weiterentwicklung bestehender Medikamente schaffen sie einen klaren Mehrwert und sind aus Sicht der Schweizer Pharmafirmen entsprechend zu vergüten (Foto: Canva.com).

Dank intensiver Forschung ist es der Pharmaindustrie in den letzten Jahren gelungen, bei schwerwiegenden Krankheiten bahnbrechende Therapierfolge zu erzielen. Es ist jedoch zentral, dass Innovationen rasch und unbürokratisch zur Patientin und zum Patienten gelangen. Der Zugang zu innovativen Therapien darf nicht durch schwerfällige Vergütungsprozesse verschleppt werden – mit dem Risiko eines Innovationsstaus.

Innovation ist auch bei bestehenden Medikamenten wichtig

Innovationen kommen nicht nur bei neuen Therapien zum Tragen. Auch bei der Weiterentwicklung bestehender Medikamente sind sie wichtig. Innovative, auf den Patienten, die Patientin abgestimmte Ansätze können einen grossen Unterschied machen und die Compliance und damit auch die Lebensqualität stark verbessern. Diese Art von Innovation mit einem deutlichen Mehrwert für die Patient:innen ist genauso wichtig und entsprechend zu vergüten.

Wichtig ist es, den Patient:innen in der Schweiz Zugang zu einer grösstmöglichen Vielfalt an Therapieoptionen mit Originalen und Nachahmerprodukten bieten zu können.

Um den Pharmastandort Schweiz zu stärken und die Versorgung zu sichern, muss der Wettbewerb im Sinne von mehr Anbietern und mehr Produkten gefördert werden. Ein solcher Qualitätswettbewerb kommt letztlich allen zugute. Wichtig ist, den Patient:innen in der Schweiz Zugang zu einer grösstmöglichen Vielfalt an Therapieoptionen mit Originalen und Nachahmerprodukten bieten zu können.

Politik, Verwaltung, Leistungserbringer und die Pharmaindustrie müssen gemeinsam handeln.

Damit sich die Schweizer Bevölkerung auf eine hohe Gesundheitsqualität verlassen kann und eine breit gefächerte Versorgung mit Medikamenten auf lange Sicht gesichert ist, müssen Politik, Verwaltung, Leistungserbringer und die Pharmaindustrie gemeinsam handeln. Es liegen konstruktive Lösungsvorschläge vor – wie zum Beispiel flexible Preismodelle oder ein Modell, bei dem der Patient, die Patientin ab Tag 1 der Swissmedic Marktzulassung Zugang zur dringend notwendigen Therapie erhält.

vips setzt sich für eine starke und nachhaltige Patientengesundheit ein

Die vips ist sich ihrer Verantwortung bewusst und setzt alles daran, die medizinische Versorgung zu gewährleisten. Sie hat ein vitales Interesse daran, alle Patient:innen mit dringend benötigten Therapien zu versorgen – für eine starke und nachhaltige Patientengesundheit!

Volksinitiative «Ja zur medizinischen Versorgungssicherheit»

Zurzeit fehlen etwa 1000 unterschiedliche Medikamente. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Die Verwaltung arbeitet zwar am Problem. Diese Aktivitäten genügen aber aus Sicht der Vereinigung Pharmafirmen in der Schweiz (vips) nicht, um das Problem zu lösen. Deshalb braucht es die Volksinitiative «Ja zur medizinischen Versorgungssicherheit» und die Umsetzung der darin gestellten Forderungen.

16 Verbände, Organisationen und Unternehmen des schweizerischen Gesundheitswesens unterstützen die Volksinitiative – so auch die vips.

Beitragsbild: Mitarbeitende eines Pharmabetriebs bereitet eine Maschine für den Einsatz vor (Canva.com).