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15. Februar 2022

Background

Patient Blood Management

Ungenutztes Potenzial in Schweizer Spitälern

Qualität steigern und Kosten senken, Patient Blood Management verbindet beides. Eine Umfrage zeigt jedoch: Unser Gesundheitswesen hat hier noch viel Luft nach oben.
Competence Donat R. Spahn

Autor

Prof.

Donat R. Spahn

Präsident Alliance Rouge, Bern

info@alliance-rouge.ch

Die Grundidee hinter Patient Blood Management scheint auf den ersten Blick fast banal. Patient:innen werden vor grösseren planbaren Operationen bezüglich einer Anämie abgeklärt und gegebenenfalls medikamentös behandelt. Anschliessend werden blutsparende Operationsmethoden und eine zurückhaltende Transfusionstrategie angewendet. Die positiven Wirkungen von Patient Blood Management bezüglich Kosten und Behandlungsqualität sind höchst relevant (siehe unten Box). In ihrem Policy Brief ruft die WHO deshalb mit deutlichen Worten dazu auf, die Implementierung dieses Konzepts weltweit zu beschleunigen.

Anerkannt aber nicht immer angewandt

Der Nutzen von Patient Blood Management ist auch in der Schweiz allgemein bekannt. Alle 40 leitenden Anästhesist:innen, die an der nationalen Umfrage der Alliance Rouge teilgenommen haben, finden die Anwendung der Massnahmen von Patient Blood Management wichtig oder eher wichtig. Es besteht ein klarer Konsens: Das Konzept hilft Kosten zu senken (85 % Zustimmung),  Komplikationen zu reduzieren (95 %) und die Hospitalisierungsdauer zu verkürzen (83 %). Trotzdem hat erst ein knappes Viertel der teilnehmenden Spitäler und Kliniken das Konzept flächendeckend eingeführt. Hier liegt also viel Potenzial brach.

Patient Blood Management bietet eine einmalige Chance, die Patientensicherheit zu erhöhen
und gleichzeitig die Kosten für die Allgemeinheit zu senken. (Foto: Pixabay / Antonio Corgliano)

Hürden überwinden

Woher rührt dieser bemerkenswerte Graben zwischen Evidenz und Praxis? Folgende drei Hürden werden von den befragten Anästhesist:innen am stärksten gewichtet:

  • Fehlende Ressourcen und Zeit
  • Fehlendes Know-how
  • Fehlende Unterstützung seitens der Ärzteschaft

Die leitenden Anästhesist:innen stehen also oft allein da, wenn es um die Implementierung von Patient Blood Management geht. Die Alliance Rouge hat dieses Problem erkannt und versucht diesem entgegenzuwirken, indem sie den Austausch zwischen den Spitälern fördert. Kliniken, welche Patient Blood Management noch nicht eingeführt haben, profitieren von denjenigen, die hier schon einen Schritt weiter sind. Verschiedene Hilfsmittel wie beispielsweise eine Kurzanleitung für Spitäler und Kliniken oder ein E-Learning-Tool helfen zusätzlich. Es gibt also keinen Grund mehr, mit der Implementierung von Patient Blood Management zuzuwarten. Wie die WHO festhält, wäre dies weder ethisch noch ökonomisch zu verantworten. 

Wissenschaftliche Evidenz

Die positiven Wirkungen von Patient Blood Management werden von zahlreichen wissenschaftlichen Studien belegt. Eine Metaanalyse unter der Leitung der Anästhesiologie des Universitätsklinikums Frankfurt hat insgesamt 17 Studien mit 235 779 teilnehmenden Patient:innen ausgewertet. Die Resultate sind statistisch hoch signifikant: In Spitälern und Kliniken, die Patient Blood Management eingeführt hatten, war die Hospitalisierung bei einer Operation im Durchschnitt 0,5 Tage kürzer als in solchen ohne Patient Blood Management. Nach einer Herz-Operation konnten die Patient:innen das Spital durchschnittlich sogar 1,3 Tage früher verlassen. Auch die Anzahl an Komplikationen konnte um 20 Prozent reduziert werden.

Quelle: Althoff, F. et al. Ann Surg. 2019 May; 269:794

Beitragsbild: Morsa Images