Die Vorschläge des Bundesrats zur Umsetzung der Pflegeinitiative sind aus Sicht von H+ unausgegoren. Die am 1. Juli 2024 startende Ausbildungsoffensive ist im Grundsatz richtig und nötig. Sie hat in der vorliegenden Form aber eine grosse finanzielle Mehrbelastung der Spitäler zur Folge.
Die Spitäler und Kliniken leisten auch in der Ausbildung einen entscheidenden Beitrag an die Qualität unseres Gesundheitswesens. Eine korrekte Abgeltung dieser Leistungen ist überfällig.
Anne-Geneviève Bütikofer, H+ Direktorin
Beim Aspekt «Verbesserung der Arbeitsbedingungen» würde mit dem Gesetzesentwurf des Bundesrats, den er am 8. Mai 2024 in die Vernehmlassung geschickt hat, zudem die unternehmerische Freiheit der Spitäler eingeschränkt.
Beide Massnahmen erschweren die finanzielle Situation der Spitäler weiter, ohne den Fachkräftemangel wirksam anzugehen. Vielmehr ist eine sachgerechte Tarifierung der erbrachten Leistungen nötig, so dass die Spitäler und Kliniken ihre ureigenen Interessen wahrnehmen und attraktive Arbeitsbedingungen anbieten können.
Die Spitäler und Kliniken der Schweiz anerkennen den Willen, mit einer Ausbildungsoffensive den Personalbedarf der Zukunft anzugehen. Entsprechende Massnahmen dürfen aber nicht auf dem Buckel der Spitäler und Kliniken umgesetzt werden. Es muss garantiert sein, dass die zusätzlichen Ausbildungsleistungen der Spitäler und Kliniken finanziert werden, damit ausreichend Personal ausgebildet werden kann.
Bereits bisher sind die Ausbildungsleistungen der Spitäler und Kliniken völlig ungenügend in den Tarifen abgebildet. «Die Spitäler und Kliniken leisten auch in der Ausbildung einen entscheidenden Beitrag an die Qualität unseres Gesundheitswesens. Eine korrekte Abgeltung dieser Leistungen ist überfällig», macht H+ Direktorin Anne-Geneviève Bütikofer deutlich. Entsprechend fordert H+ eine Anpassung dieser Bestimmung, damit auch der Beitrag der Spitäler und Kliniken zur Ausbildungsoffensive korrekt abgegolten wird.
Mit einem neuen Bundesgesetz will der Bundesrat den zweiten Aspekt der Pflegeinitiative angehen: Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege. Die Spitäler und Kliniken der Schweiz anerkennen auch hier die Absicht, sehen aber den vorgeschlagenen Weg kritisch. In der Schweiz sind grundsätzlich die Sozialpartner für die Aushandlung der Arbeitsbedingungen zuständig – ein Weg, der sich jahrzehntelang bewährt hat.
Wenn nun auf Bundesebene Details der Arbeitsbedingungen in einer bestimmten Branche geregelt werden, widerspricht das diesem demokratischen Grundsatz fundamental. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das neue Bundesgesetz das geltende Arbeitsgesetz übersteuert. Prekär ist, dass der Bundesrat in seinem Umsetzungsvorschlag für keine dieser kostenintensiven Massnahmen eine zusätzliche Finanzierung vorsieht, und die Arbeitszeitreduktion den Fachkräftemangel noch verschärft.
Die Spitäler und Kliniken spüren den Fachkräftemangel ganz direkt. Als Arbeitgeber haben sie selbst das grösste Interesse daran, mit Massnahmen gezielt und individuell darauf zu reagieren. «Diese unternehmerische Freiheit der Arbeitgeber durch ein Bundesgesetz einzuschränken, ist weder angebracht noch zielführend», betont Anne-Geneviève Bütikofer. Bei der Aushandlung von Gesamtarbeitsverträgen ist es aus Sicht der Spitäler und Kliniken deshalb entscheidend, dass diese Verträge von den Vorgaben des neuen Bundesgesetzes abweichen dürfen.
Bei der Diskussion um die Umsetzung der Pflegeinitiative muss die enorm angespannte finanzielle Situation der Spitäler und Kliniken im Blick behalten werden. Seit Jahren können die geltenden Spitaltarife die effektiven Kosten nicht mehr decken: Im ambulanten Bereich sind die Spitäler zu 30 Prozent unterfinanziert, im stationären Bereich sind es 10 Prozent. Das System stösst an seine Grenzen. Zahlreichen Spitälern drohen rote Zahlen oder laufend neue Rettungsaktionen durch die Kantone.
Damit ein Leistungs- und Qualitätsabbau verhindert werden kann, müssen Politik und Krankenversicherer den Spitälern und Kliniken eine finanzielle Perspektive durch sachgerechte Tarife bieten. Statt neue nicht-finanzierte Aufgaben und administrative Vorgaben benötigen die Spitäler eine finanzielle Perspektive, um genügend Fachpersonal auszubilden und diesem attraktive Arbeitsbedingungen anzubieten.
Beitragsbild: Stadtspital Zürich Triemli