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12. Dezember 2022

FOCUS

H+ Beitrag

Trendumkehr beim Fachkräftemangel dringend nötig

Die Spitäler kämpfen beherzt gegen den Fachkräftemangel an. Doch die Rahmenbedingungen sind begrenzt. Gefordert sind politische Lösungen.
Competence Markus Trutmann

Autor

Markus Trutmann

Leiter Geschäftsbereich Politik, Mitglied der Geschäftsleitung, H+ Die Spitäler der Schweiz

markus.trutmann@hplus.ch

«Arbeitsbedingungen untragbar», «ganze Abteilungen schliessen», «Operationen müssen verschoben werden» – die Schlagzeilen rund um den Fachkräftemangel in der Pflege, aber auch bei den Assistenz- und Oberärzt:innen, reissen nicht ab. In der COVID-19-Pandemie wurde erstmals einer breiteren Öffentlichkeit bewusst, dass das Schweizer Gesundheitswesen unter einem Mangel an Pflegepersonal leidet. Und das schon seit längerem. So war es denn auch keine Überraschung, dass die Pflegeinitiative den Nerv der Zeit traf und das Stimmvolk sie wuchtig annahm. Doch nun, ein Jahr nach diesem Abstimmungserfolg, scheint sich nichts getan zu haben. Gar von einer weiteren Verschlechterung der Situation ist die Rede.

Immerhin: Die Ausbildungs­offensive wird ohne Verzug starten können.


Prognosen, die auf belastbaren Statistiken beruhen, sprechen eine deutliche Sprache: der Mangel an Pflegefachkräften zeichnet sich schon seit Jahren ab. Wie dem Versorgungsbericht des Obsan von September 2021 zu entnehmen ist, haben die Arbeitgeber grosse Anstrengungen unternommen, die Zahl des Pflege- und Betreuungspersonals zu erhöhen. Von 2012 bis 2019 nahm diese Zahl immerhin von 156 000 auf 186 000 zu (Zunahme von 19 Prozent). Doch reichen die bisherigen Anstrengungen nicht. So wird von 2019 bis 2029 eine gravierende Lücke zwischen dem prognostizierten Nachwuchsbedarf und dem prognostizierten Nachwuchsangebot erwartet.

Was tun?

Die Spitäler erleben die Auswirkungen des Fachkräftemangels täglich und setzen sich im Rahmen des unternehmerisch Möglichen für rasche, pragmatische Lösungen ein. So haben zahlreiche Spitäler Lohnerhöhungen für ihre Pflegefachpersonen beschlossen. In einer Umfrage von H+ bei seinen Mitgliedern gingen in den Rückmeldungen praktisch alle wegen des Fachkräftemangels von höheren Lohnkosten für 2023 aus.

Der Hinweis auf die Unterfinanzierung der Tarife, die im ambulanten Bereich besonders ausgeprägt ist, macht deutlich, dass das «unternehmerisch Mögliche» im Gesundheitswesen durch regulatorische Vorgaben der Sozialversicherungen stark eingeschränkt wird. Einschränkungen, die Unternehmen in anderen Branchen in dieser Art nicht kennen, sie können z. B. den Teuerungsausgleich bei den Löhnen teilweise auf die Preise überwälzen. Das ist bei Sozialversicherungstarifen nicht möglich und wird erst über Neuverhandlungen der Preise zu erreichen sein – wenn denn die Versicherung­en überhaupt mitspielen.

Leider hat der Bundesrat die Botschaft zur zweiten Phase der Umsetzung der Pflegeinitiative immer noch nicht verabschiedet. Hier wird es um die Wurst gehen, nämlich um die Regelung von anforderungsgerechten Arbeitsbedingungen und einer angemessenen Abgeltung der Pflegeleistungen.

Immerhin ist damit zu rechnen, dass das Parlament die vom Bundesrat vorgeschlagene erste Phase bei der Umsetzung der Pflegeinitiative rasch und unverändert verabschieden wird. Damit wird die Ausbildungsoffensive im Wert von rund einer Milliarde Franken ohne Verzug gestartet werden und an der dringlichsten Stelle ansetzen: bei der Bildung des Nachwuchses.

Leider hat der Bundesrat die Botschaft zur zweiten Phase der Umsetzung der Pflegeinitiative immer noch nicht verabschiedet. Hier wird es um die Wurst gehen, nämlich um die Regelung von anforderungsgerechten Arbeitsbedingungen und einer angemessenen Abgeltung der Pflegeleistungen. Nicht ganz unerwartet tun sich die vier Bundesämter – BAG, SECO, BJ und SBFI – schwer, einen Lösungsansatz zu finden. Doch der Auftrag ist alternativlos: Er leitet sich aus der Bundesverfassung ab und hat eine offensichtliche Dringlichkeit.

Beitragsbild: Canva