Aktuelles
Competence Readtime3 min
4. Oktober 2022

Schweizerischer Nationalfonds (SNF)

Neue Wege für weniger Antibiotika in der Grundversorgung

Die Antibiotikaverschreibung in der Grundversorgung liesse sich mit Hilfe von Krankenkassendaten überwachen und mit einem einfachen Test reduzieren.

Forschende der Universität Basel wollen Hausärztinnen und -ärzte, die besonders oft Antibiotika verschreiben, gezielt sensibilisieren. Das Problem: Deren Antibiotikaeinsatz wird nicht systematisch erfasst. Doch das Forschungsteam hat in einem Projekt im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Antimikrobielle Resistenz» (NFP 72) eine Lösung gefunden:

Aus den Abrechnungsdaten von Krankenkassen lässt sich für einzelne Patient:innen herauslesen, wann, für was und in welcher Praxis sie ein Antibiotikum erhalten haben. Werden genügend viele Patientendaten analysiert, ermöglicht das Rückschlüsse auf die Verschreibungspraxis der Ärzteschaft.

Die Methode könnte sich in Richtung eines nationalen Monitoringsystems weiterentwickeln.

Kein Zusatzaufwand für die Ärzteschaft

Für ihre Studie hatten die Forschenden Zugriff auf anonymisierte Daten der drei grössten Schweizer Versicherer. «Auch wenn wir weder Namen noch Adressen sahen, konnten wir alle Antibiotikaverschreibungen bestimmten Ärztinnen und Ärzten zuordnen», sagt Projektmitarbeiterin Soheila Aghlmandi. «Und Äztinnen und Ärzten, die sehr viel Antibiotika verschreiben, konnten wir ein Feedback zukommen lassen, ohne sie persönlich zu identifizieren». Dafür mussten die Forschenden jedoch zuerst automatisierte Abläufe entwickeln, die alle notwendigen Informationen aus den unterschiedlichen Datenformaten und -strukturen der jeweiligen Versicherer zusammenführen – angesichts der über 1,3 Millionen Patient:innen mit insgesamt mehr als vier Millionen Konsultationen ein grosser Aufwand.

Die Methode liesse sich zu einem schweizweiten Monitoringsystem ausbauen. Allerdings, so betont Aghlmandi, müssten dafür alle Krankenversicherer die entsprechenden Daten liefern, und es müssten zunächst die technischen Lösungen erarbeitet werden, um diese zusammenzuführen.

Schnelltest als weitere mögliche Methode

Eine andere Massnahme zur Optimierung der Antibiotikaverschreibungen bei Atemwegsinfekten haben Forschende des Universitätsspitals Lausanne (CHUV) in einem weiteren NFP 72-Projekt getestet. Ihr Ansatz fokussiert auf die Diagnose. Das CHUV-Forschungsteam hat ein Vorgehen entwickelt, das einen Lungen-Ultraschall mit einem Procalcitonin-Test kombiniert, der zwischen bakteriellen und viralen Infekten differenzieren hilft. Da jedoch beide Methoden für sich genommen zu viele unsichere Diagnosen liefern, kombinierten sie ihre Resultate mit einem Algorithmus, um so die Präzision zu erhöhen.

Der Schnelltest könnte bald in der ganzen Schweiz auf breiter Basis zum Einsatz kommen.

In einer mehrmonatigen Studie wandten 30 Hausärztinnen und -ärzte das neue Vorgehen bei allen Patient:innen an, die mit Symptomen eines Atemwegsinfektes vorstellig wurden.

Tatsächlich verschrieben sie rund ein Drittel weniger oft Antibiotika als ebenfalls 30 Ärztinnen und Ärzte in einer Vergleichsgruppe. Doch überraschend stellte sich heraus, dass für eine Reduktion in dieser Grössenordnung bereits die Anwendung des Procalcitonin-Tests allein ausreicht. Denn das Procalcitonin-Ergebnis war bei der Mehrheit der Patient:innen niedrig, und in diesen Fällen wurden keine Antibiotika empfohlen. Auf die Genesung der Patient:innen hatten die geringeren Antibiotikaverschreibungen keinerlei negativen Auswirkungen.

Ob der Schnelltest sich durchsetzt, hängt nun davon ab, ob ihn die Krankenkassen bezahlen. Um dies zu erreichen, hat das Team des CHUV in einer weiteren Studie gezeigt, dass das Vorgehen nur geringe Kosten verursacht und wirtschaftlich ist. Der Test könnte also bald schweizweit in grösserem Umfang angewendet werden. 

Kombination beider Methoden

Ob und wie sich eine breite Anwendung des Schnelltests insgesamt auf die Antibiotikaverschreibungen von Hausärztinnen und -ärzten auswirkt, liesse sich wiederum mit einem schweizweiten Monitoring überprüfen, das mit der eingangs vorgestellten in der Universität Basel entwickelten Methode möglich sein wird.

Beitragsbild: SNF

   

Bleiben Sie informiert über aktuelle Themen mit unserem monatlichen Newsletter