Der Fachkräftemangel betrifft alle Schweizer Spitäler und Kliniken. Die Pflegeinitiative wird nicht so schnell umgesetzt, wie sich die Personalsituation verschlechtert. Daher wollten die Verantwortlichen im Spital Bülach nicht länger zuwarten und überlegten, welche Massnahmen Abhilfe schaffen könnten. Der Autorin und dem Autor war klar, dass es mehr braucht als generelle Lohnerhöhungen oder geschenkte zusätzliche Freizeit, um das Spital als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren.
Daher hat das Spital Bülach seine Pflegemitarbeitenden befragt, welche Arbeitsbedingungen sie sich wünschen würden. Als besonders belastend empfanden die Befragten Nachtdienste sowie spontane Anfragen, an freien Tagen einzuspringen. Das zeigt, dass insbesondere eine individuelle Arbeitsplanung ein entscheidendes Kriterium für die Arbeitszufriedenheit ist. Daraus entwickelten die Direktorin Pflege und der HR-Leiter gemeinsam ein dreistufiges Arbeitszeitmodell; das sogenannte «Bülacher Modell».
Das Modell besteht aus den Stufen «Fix», «Flex» und «Super Flex». Flexibilität in der Dienstplanung und Spontanität beim Einspringen belohnt das Spital mit Zulagen zum Grundlohn.
Das Bülacher Arbeitszeitmodell
Die Stufe «Fix» eignet sich für Mitarbeitende, die feste Arbeitszeiten, Arbeitstage und eine hohe Planungssicherheit wünschen. Nachtdienste entfallen hier.
«Flex»-Mitarbeitende werden in ihrer Station eingeplant. Sie übernehmen Nachtdienste und springen bei Bedarf einmal pro Monat auf ihrer Station ein. Dafür erhalten sie 200 Franken Zulage zum Grundlohn. Überzeit können sie mit Freizeit kompensieren oder sie kann ab 40 Überstunden ausbezahlt werden. Die Stufe «Flex» eignet sich für alle, die eine Planungssicherheit wünschen, aber flexibel in der Dienstplanung sind.
«Super Flex»-Mitarbeitende erhalten monatlich eine Zulage von 350 Franken zum Grundlohn. Dafür springen sie zweimal im Monat bei Bedarf auch in anderen Abteilungen ein. Zusatzstunden werden sofort ausbezahlt. Die Stufe «Super Flex» eignet sich für alle, die flexibel in der Dienst- und Einsatzplanung sind und/oder sich einen Zusatzverdienst wünschen.
Am 1. April 2023 startete die einjährige Pilotphase, in der das Modell getestet und nötigenfalls angepasst wird. In dieser Zeit können Mitarbeitende alle drei Monate zwischen den Stufen wechseln; danach ist das zweimal jährlich möglich. So können sie die Stufe je nach Lebenssituation, beispielsweise durch die Geburt eines Kindes, auch während des Jahres anpassen.
Doch die Einführung des Modells führt zu Mehrkosten für das Spital. Neben neuen Verträgen für alle Pflegenden investiert das Spital rund eine Million Franken für Lohnzulagen. Auf der anderen Seite erhofft sich das Unternehmen, dass die Kosten für temporäres Personal um 50 Prozent sinken werden. Es ist dem Spital Bülach wichtig, dass dieses Geld den eigenen Mitarbeitenden zugutekommt.
Auf längere Sicht wird es notwendig sein, den Arbeitsmarkt grundlegend zu stärken. Neben Modellen für Quereinsteiger:innen sind Programme für Wiedereinsteiger:innen oder Talentprogramme zur Förderung von Nachwuchs möglich. Insgesamt müssen Spitäler ihre Arbeitgeberattraktivität vor allem im Pflegebereich erhöhen, damit Mitarbeitende im Beruf bleiben, nicht abspringen und neue Pflegende einsteigen.
Eine erste Umfrage nach drei Monaten hat gezeigt, dass das Spital Bülach auf dem richtigen Weg ist. Drei Viertel der Pflegemitarbeitenden antworteten, dass sie mit dem Modell «voll und ganz zufrieden» oder «zufrieden» sind. Gemäss den Rückmeldungen der zweiten Umfrage von Oktober 2023 wird das Modell nun angepasst und weiterentwickelt.
Das Interesse am «Bülacher Modell» ist gross. Neben verschiedenen Spitälern haben sich auch Unternehmen aus der Wirtschaft, insbesondere aus dem Einzelhandel, nach den Details erkundigt.
Beitragsbild: Spital Bülach