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4. Februar 2022

Background

Tag der Kranken: 6. März 2022

«Es ist berührend, Menschen beim Sterben zu begleiten»

Helen Bärtschi begleitet als Freiwillige Patienten des Inselspitals. Sie geniesst es, kranken Menschen ihre Zeit zu schenken und hat sich zur Sterbebegleiterin ausbilden lassen.
Competence Sarah Fogal

Autorin

Sarah Fogal

Redaktionelle Koordination Competence

sarah.fogal@hplus.ch

Es ist Donnerstagnachmittag am Inselspital und ­Helen Bärtschi beginnt ihre Schicht auf der Onkologie in knapp zwei Stunden. Als eine von 85 Freiwilligen der Inselgruppe AG ist sie jede Woche für etwa drei Stunden im Einsatz und bringt nebst Zeit, Elan und Energie ein offenes Ohr für die Patient:innen mit. Die 61-Jährige engagiert sich seit drei Jahren, wobei es aufgrund der Pandemie zu einem Unterbruch kam. Heute ist Helen Bärtschi gespannt darauf zu hören, wie es einem jungen Mann geht, der Blutkrebs hat: «Er hat mich bei unserem Kennenlernen vor ein paar Wochen beeindruckt, weil er seine Krankheit mit so viel Optimismus ertragen hat.» Letzte Woche bekam er jedoch einen schlechten Bescheid und begegnete der Freiwilligen mit weit weniger Optimismus als zuvor. Sie habe ihm Mut gemacht und ihm das gesagt, was er in den Wochen zuvor zu ihr gesagt habe: «Die 10 nehmen wir noch». Damit meinte er, dass er bereit sei, den schweren Rucksack, den die Krankheit mit sich bringt, zu tragen.

Patient:innen viel Zeit schenken

Helen Bärtschi ist gelernte Pflegefachfrau und hat ihre Ausbildung in den frühen 80er-Jahren am Luzerner Kantonsspital absolviert. Nach der Ausbildung kam sie für ihre erste Stelle ans Inselspital Bern. Sehr vieles im medizinischen Bereich und speziell auch in der Pflege habe sich in der Zwischenzeit verändert. Trotzdem sieht die 61-Jährige in ihrer Arbeit als Freiwillige einen Vorteil darin, dass sie Erfahrung in der Pflege mitbringt. «Ich habe nicht nur Zeit zuzuhören, sondern kann beispielsweise helfen, eine Patientin komfortabel zu betten, aufzusetzen oder mit ihr spazieren zu gehen. Die Griffe sitzen immer noch», sagt sie mit einem breiten Lächeln. Zu Beginn ihrer Schicht geht Helen Bärtschi auf die Station und fragt die zuständige Stationsleiterin, zu welchen Patient:innen sie heute gehen kann. Sie bekommt eine Liste mit Namen und geht von Zimmer zu Zimmer, oft auch zu Patient:innen, die wenig Besuch haben oder die sich bewegen sollten, bei denen die Pflege für einen Spaziergang aber gerade keine Zeit hat. Die Diagnose kennt die 61-Jährige meist nicht, es spiele ihr auch keine Rolle. «Manchmal komme ich zum richtigen Zeitpunkt, manchmal ist aber auch grad Besuch da und ich versuche später wiederzukommen. Es kommt aber auch vor, dass ich lange bei einem Patienten sitzen bleibe oder ihm um 18 Uhr beim Essen helfe. Mein Vorteil ist, dass ich alle Zeit der Welt habe und nach meiner offiziellen Schicht gut auch mal etwas länger bleiben kann», sagt sie.

Die Sehnsucht nach der Stadt

Helen Bärtschi wohnt in Hasle-Rüegsau und hat zwei erwachsene Söhne, vor wenigen Wochen ist sie erstmals Grossmutter geworden. Nach der Geburt ihrer Söhne hat sie ihren Beruf an den Nagel gehängt: «Familie ist heilig und mein Mann war damals im Beruf und mit einer Weiterbildung sehr engagiert». Sie hat sich darum nebst Familie im Dorf vielfältig engagiert und mitgeholfen, ein Pflegkind grosszuziehen: «Die junge Frau macht aktuell eine Ausbildung zur Fachangestellten Gesundheit, das ist schön!» Nach dreissig Jahren Engagement vor Ort habe sie indes den grossen Wunsch verspürt, noch etwas Anderes zu machen: «Ich habe mich nach der Stadt gesehnt und schätze es sehr, im Inselspital arbeiten zu dürfen.»

Ausbildung zur Sterbebegleiterin

Helen Bärtschi arbeitet nebst ihrem Dienst auf der Onkologie des Inselspitals beim Schweizerischen Roten Kreuz als Freiwillige. Sie entlastet Angehörige, die zu Hause Familienmitglieder betreuen und übernimmt Nachtdienste bei Menschen, die im Sterben liegen. Soeben hat sie beim Roten Kreuz eine Weiterbildung zur Sterbebegleiterin gemacht. Kürzlich durfte Helen Bärtschi im Inselspital eine Patientin beim Sterben begleiten. Die Angehörigen hätten im Zimmer ein Plakat mit vielen Informationen über die Sterbende und ihr Leben hinterlassen. Die Frau zu begleiten und ihr noch gewisse Dinge zu sagen und zu erzählen, so zum Beispiel, dass sie ruhig gehen dürfe, da alles organisiert sei, sei mit diesem Vorwissen über das Leben der Frau einfacher gewesen. Helen Bärtschi sagt: «Das war ein sehr schönes und berührendes Erlebnis. So etwas Kostbares hat mich mit Genugtuung erfüllt.»

Helen Bärtschi auf der Onkologie-Station zu Beginn ihrer Schicht. (Foto: Janosch Abel)

Beitragsbild: Palliativzentrum Kantonsspital St.Gallen