Laufbahngestaltung von Ärzt:innen, FHNW, Canva
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8. April 2025

Background

Lebensphasenorientierte Laufbahngestaltung von Ärzt:innen

Laufbahngestaltung von Mediziner:innen im Wandel

Die Vereinbarkeit von beruflichen Laufbahnen mit dem Privatleben ist essenziell für Ärzt:innen. Ein aktuelles Handbuch beleuchtet Bedürfnisse und präsentiert Massnahmen aus Spitälern.
Competence Janna Küllenberg

Autorin

Dr. phil.

Janna Küllenberg

Systemische Beraterin, Therapeutin (DGSF) | Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW

janna.kuellenberg@fhnw.ch

Competence Julia Frey

Autorin

Julia Frey

Arbeitspsychologin M.Sc., Coach | Wis­senschaftliche Mitarbeiterin, Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW

julia.frey@fhnw.ch

Eine Befragung zur lebensphasenorientierten Laufbahngestaltung gibt Einblicke: Für 557 Mediziner:innen aus Schweizer Spitälern haben der Ausbau der fachlichen Expertise und die Patientenbetreuung höchste Priorität, gefolgt vom Wunsch nach Vereinbarkeit des Berufs mit dem Privatleben. Dieser Wunsch zeigt sich auch darin, dass rund ein Drittel der Ärzt:innen oft darüber nachdenkt, die Tätigkeit im Spital aufgrund mangelnder Vereinbarkeit mit dem Privatleben aufzugeben.¹

Phase der Familiengründung, Handbuch Laufbahnplanung für Ärztinnen und Ärzte FHNW, canva
Notwendige Schritte, wie der Erwerb des Facharzttitels, fallen oft mit der Phase der Familiengründung zusammen (Foto: Canva).

Engpass in der Phase der Familiengründung

Ärztliche Laufbahnmodelle sind häufig linear aufgebaut, wobei Ärzt:innen schrittweise vordefinierten Pfaden folgen. Notwendige Schritte, wie der Erwerb des Facharzttitels – im Schnitt mit 36 Jahren² – fallen dabei oftmals mit der Phase der Familiengründung zusammen. Berufliche Unterbrechungen, etwa durch Schwangerschaft oder Veränderungen des Pensums aufgrund von Vaterschaft, werden dabei bislang unzureichend berücksichtigt: Solche Anpassungen der Arbeitszeit werden von Ärzt:innen als erheblicher Einschnitt in die Karriere beschrieben, während Führungskräfte und Kolleg:innen von erhöhtem Arbeitsaufwand berichten, etwa durch häufigere oder längere Übergaben.

Grosser Wunsch nach besserer Vereinbarkeit

Die Ergebnisse der Befragung machen deutlich: Das Bedürfnis nach einer besseren Vereinbarkeit medizinischer Laufbahnen mit dem Privatleben ist gross. Dies führt unter anderem dazu, dass über alle Altersstufen und Positionen hinweg über die Hälfte der vollzeitangestellten Ärzt:innen ihr Pensum gerne reduzieren würde (überwiegend auf ein 80-Prozent-Pensum).

Bedürfnis nach Flexibilisierung, vielfältigen Laufbahnen und klaren Perspektiven

Neben Arbeit in Teilzeit berichten Ärzt:innen von Jobsharing als gewinnbringende Möglichkeit, den Job an die aktuellen Lebensumstände anzupassen: Zwei Personen teilen sich eine Stelle und arbeiten eng zusammen. Dass 85 Prozent der befragten Führungskräfte offen dafür sind, Jobsharing-Modelle in ihrem Team einzuführen bzw. diese bereits eingeführt haben, offenbart das Potenzial dieses Arbeitszeitmodells.

Ärzt:innen, insbesondere Oberärzt:innen, wünschen sich mehr Klarheit über mögliche Laufbahnschritte im Spital.

Neben der Flexibilisierung von Arbeit wurde der Wunsch artikuliert, sich gezielter weiterzuentwickeln: Über drei Viertel der Ärzt:innen würden eine grössere Vielfalt an Laufbahnmöglichkeiten begrüssen, z. B. Fach- und Führungslaufbahnen. Besonders das Konzept des/der Universalgelehrten mit gleichermassen exzellenten Fähigkeiten in Bereichen wie Klinik, Forschung, Betriebswirtschaft und Führung, hinterfragen die Ärzt:innen mit Blick auf die Zukunft und einer möglichen Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.

Neben Teilzeitarbeit berichten Ärzt:innen von Jobsharing als gewinnbringende Möglichkeit, den Job an die Lebensumstände anzupassen (Foto: Canva).

Ärzt:innen, insbesondere Oberärzt:innen, wünschen sich ferner mehr Klarheit über mögliche Laufbahnschritte im Spital. Interviews mit Ärzt:innen verdeutlichen, dass Mentoring dabei als ein effektives Mittel zur Laufbahnplanung angesehen wird. Studien bestätigen zudem, dass gezielte Unterstützung der Weiterentwicklung in Verbindung mit klaren Perspektiven die Arbeitsleistung steigert und die Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen fördert.³

Ein Handbuch mit Good-Practice-Beispielen

Um Veränderungen zu bewirken, sollten Spitäler neben strukturellen Anpassungen der ärztlichen Laufbahnmodelle auch kulturelle Hürden abbauen: Welchen Platz darf das Privatleben neben einer erfolgreichen Laufbahn einnehmen? Können Gespräche zu diesem Thema offen geführt werden?

Weitere Befragungsergebnisse, Erkenntnisse und eine Vielzahl an Good-Practice-Beispielen finden sich im aktuellen Handbuch der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW, das im Rahmen eines Projektes mit Schweizer Spitälern entstanden ist. Eine Kernerkenntnis des Projektes liegt im Potenzial, die Beziehung zwischen HR und Ärzteschaft zu stärken.

Eine vertiefte Kooperation der Berufsgruppen HR und Ärzteschaft – ein lohnenswertes Unterfangen für die Zukunft.

Bisher sind HR-Fachpersonen in der Gestaltung und Kommunikation von Laufbahnmöglichkeiten für Ärzt:innen wenig eingebunden. Im Rahmen von spital- und funktionsübergreifenden Workshops fand als Teilprojekt zur Erstellung des Handbuchs eine vertiefte Kooperation der Berufsgruppen statt – ein lohnenswertes Unterfangen für die Zukunft.

QR-Code zum Handbuch.
Zusatzinformationen siehe: www.fhnw.ch/de/aerztliche-laufbahngestaltung

1Küllenberg, J., Frey, J., Soltermann, A. (2024). Lebensphasenorientierte Laufbahngestaltung. Ein spitalübergreifender Bericht (unveröffentlichter Ergebnisbericht). FHNW.

2BAG [Bundesamt für Gesundheit]. (2024, März). Ärztinnen und Ärzte 2023. Auszug aus dem Medizinalberuferegister. Eidgenössisches Departement des Innern (EDI).

3Kraimer, M. L., Seibert, S. E., Wayne, S. J., Liden, R. C., & Bravo, J. (2011). Antecedents and outcomes of organizational support for development: The critical role of career opportunities. Journal of Applied Psychology, 96(3), 485-500.

Beitragsbild: Canva

   

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