Anna Seiler Haus, Inselspital, Neubau, Architektur
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4. April 2023

Focus Spitalbauten der Zukunft

Sicht einer Bauherrschaft

Können komplexe Bauprojekte noch erfolgreich sein?

Das neue Hauptgebäude des Inselspitals, das Anna-Seiler-Haus, wird aktuell fertig gebaut. Das Bauprojekt zeigt Erfolgsfaktoren für grosse Spitalbauten auf.
Competence Bruno Jung

Autor

Bruno Jung

Leiter Projektmanagement Infrastruktur, Insel Gruppe, Direktion Immobilien und Betrieb, Inselspital, Universitätsspital Bern

bruno.jung@insel.ch

Spitalbauprojekte sind häufig im negativen Fokus: Kostensteigerungen, Verzögerungen, Projektabbruch. Die aktuelle wirtschaftliche Lage, das Marktumfeld und die Teuerungen verstärken dies noch zusätzlich.

Trotzdem müssen Spitäler und Kliniken neben dem reinen Ersatz von alten Gebäuden auch die langfristige Grundlage legen für die ökonomische Wettbewerbsfähigkeit, die Entwicklung der Medizin und ihre Attraktivität für die Patient:innen und das Personal.

Die Bestellung

Es gibt keine definitive, vollständige und richtige Bestellung für Spitalbauten. Der Masterplan für die In­frastrukturentwicklung des Inselareals, die Angebotsstrategie und neue Betriebsprozesse waren 2014 die Grundlage des Planungsstarts für das Anna-Seiler-­Haus.

Entscheidend war dabei, phasengerechte Grundkonzepte zu erstellen und die Details möglichst spät zu planen – denn die Welt verändert sich! Noch unklare Bereiche im Umfang von 7000 m2 haben die Verantwortlichen in der Planung als strategische Freiflächen konsequent zurückgestellt. Durch die gestaffelte Bestellung konnte das Team während des Projekts zeitgerecht auf aktuelle Entwicklungen reagieren: zusätzliche Ambulatorien, Bettenstation für Zusatzversicherte, Hybrid-OP usw.

Das Projekt neues Anna-Seiler-Haus liegt trotz der Krisen der letzten Jahre wie COVID, Lieferengpässe, Teuerungen und Ukraine-Krieg, im Kosten- und Terminrahmen.

Die Architektur und Gestaltung

In einem Spitalgebäude muss die Gestaltung und Architektur sowohl die Medizin, die Prozesse als auch das Wohlbefinden aller unterstützen, darf aber nicht kostentreibend auf die Erstellung und den Betrieb wirken:

  • Die Auswahl der Materialien wurde von einem gemeinsamen Fachausschuss des Inselspitals und des Generalplaners vorgängig definiert. Diese Gruppe bestand aus erfahrenen Mitarbeitenden der Bereiche Unterhalt, Reinigung, Hygiene, Nachhaltigkeit, den Kliniken und Architekten. Damit waren vor der eigentlichen Gestaltung die Spitaltauglichkeit und die Tragbarkeit der Life-Cycle-Kosten gesichert.
  • Die Architekt:innen entwickelten einfache Regeln, die den Lichteinfall ins Gebäude optimieren und die Orientierung in den grossen Flächen vereinfachen.

Standardisierung, Plattformen, «shared facilities»

Wo möglich, standardisierte das Projektteam die Infrastruktur und Ausstattung. Bei Untersuchungszimmern wich es nur bei medizinischer Notwendigkeit vom Standard ab. Supporträume werden klinikübergreifend genutzt. Die administrativen Arbeitsplätze aller Kliniken im Gebäude werden in zwei separaten Geschossen mit flexiblem Arbeitsplatzkonzept zusammengeführt.

Dadurch kann das Inselspital künftig einfacher auf Veränderungen im Angebot der Kliniken oder des Markts reagieren. Flexibilität kostet in der Erstellung. Deshalb ist fundiertes Wissen und Abwägen des Bauherrn essenziell. So kann er Fragen bzgl. zu erwartende Funktionen und Anforderungen intern beantworten. Die Machbarkeit auf diese Weise sicherzustellen hat meist nur minime Kostenauswirkungen, auf Vorinstallationen wurde im neuen Anna-Seiler-Haus meistens verzichtet.

Die Nachhaltigkeit

Als erstes Spitalgebäude dieser Komplexität wurde das Anna-Seiler-Haus bereits 2014 als Minergie-P-Eco Gebäude bestellt. Die letzten Monate bestätigen, dass dies wirtschaftlich und gesellschaftlich ein wegweisender Entscheid war. Die Insel Gruppe bekommt in einer Phase der Energieknappheit ein energetisch optimiertes neues Hauptgebäude ohne Schadstoffe, mit viel Licht und einem guten Klima.

Die Realisierung

Verantwortliche von komplexen Projekten müssen in einem herausfordernden Umfeld dezidiert vorgehen:

  • Digitale Prozesse für Planung, Realisierung, Prüfprozesse und Qualitätssicherung ab 2014;
  • Lean-Construction auf der Baustelle mit dem Einbezug der Unternehmer, Planer und der Bauleitung;
  • stringente Änderungsprozesse: Verbesserungen und Anpassung an die Entwicklung des Umfelds wurden so lange wie möglich zugelassen bei gleichzeitig sauberem Planen und Umsetzen;
  • in den meisten Unternehmerverträgen wurde anstelle von Konventionalstrafen ein Bonus vereinbart;
  • eng getaktete Koordinationssitzungen von Bauherr und Planer, um fachliche Fragen pragmatisch zu ­klären, gefolgt vom Entscheid bzgl. Termin- und Kostenkonsequenzen in einer Projektleitungssitzung.

Trotz komplexem Kontext im Kostenrahmen

Das Projekt neues Anna-Seiler-Haus liegt trotz der Krisen der letzten Jahre wie COVID, Lieferengpässe, Teuerungen und Ukraine-Krieg, im Kosten- und Terminrahmen. Das neue Hauptgebäude des Inselspitals im September 2023 in Betrieb zu nehmen und die neuen Prozesse zu optimieren, fordern das Unternehmen noch stark.

Das Gebäude wird danach dem Inselspital in den nächsten Jahrzehnten flexibel und wirtschaftlich zur Verfügung stehen. Für einen solchen Erfolg braucht es Engagement und Transparenz des Bauherrn und der Planer auf Augenhöhe. Es muss eine Kultur für ein gemeinsames Ziel geschaffen werden. Entscheidend ist dabei, den richtigen Personen mit den richtigen Kompetenzen im Projektteam zu vertrauen.

Beitragsbild: Viel Tageslicht für Patient:innen und Mitarbeitende (Foto: Inselspital, Pascal Gugler).