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12. September 2023

Ambulante Tarife

Interview: «Die Rolle der OAAT AG als Vermittlerin ist von entscheidender Bedeutung»

Rémi Guidon, CEO der neuen Organisation ambulante Arzttarife (OAAT AG), äussert sich zu künftigen Herausforderungen sowie zur Schlüsselrolle, welche die OAAT AG für die Zukunft der ambulanten Tarife einnehmen wird.
Competence Martina Greiter

Autorin

Martina Greiter

Redaktorin Competence deutsche Schweiz

martina.greiter@hplus.ch

Herr Guidon, weshalb haben Sie beschlossen, die komplexe Aufgabe als CEO der neuen Organisation ambulante Arzttarife AG (OAAT) zu übernehmen? 

Im ambulanten Bereich wird sich in nächster Zeit einiges bewegen und ich kann meinen Beitrag dazu leisten. Das war für mich die grösste Motivation. Hinzu kommt, dass ich meine Erfahrungen aus dem stationären Bereich einbringen möchte, um zu prüfen, welche etablierten Konzepte und Prozesse sich in den ambulanten Bereich übertragen lassen.

Welche Ihrer Qualitäten sind nun besonders gefragt?

Ich denke, insbesondere meine Fähigkeit zu vermitteln. Die Vermittlerrolle ist gefragt und ich nehme sie bewusst ein. In dieser Rolle durfte ich in meiner früheren Funktion bei der SwissDRG AG schon viele Erfahrungen sammeln. Es ist mir wichtig, nicht parteiisch zu sein und unbefangen an die Diskussionen heranzugehen.

Sie haben ihre neue Funktion im April 2023 übernommen. Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit der Tarifpartner unter dem Dach der OAAT?

Ich erlebe die Zusammenarbeit als konstruktiv. Alle sitzen an einem Tisch und diskutieren miteinander. Vergangenes lässt sich nicht wegdiskutieren, aber das muss jetzt nicht der Fokus sein. Vielmehr geht es darum, schrittweise einen gemeinsamen Weg in die Zukunft zu finden. Angesichts der sich herausgebildeten Interessenblöcke ist dies sicher nicht einfach, aber die Gründung der OAAT war ein grosser Schritt in die richtige Richtung. Nun gilt es, den Tarifpartnern Zeit zu geben, im neuen Rahmen das gegenseitige Vertrauen aufzubauen. Diesen Prozess kann ich als Vermittler unterstützen.

Welchen Knackpunkt sollten die Tarifpartner auf diesem Weg zuerst angehen?

Es ist zentral, dass sie sachliche Lösungen für die noch offenen technischen Fragen finden, um danach Schritt für Schritt die weiteren Knackpunkte anzugehen. Ich stelle fest, dass ich auf der technischen Ebene Unterstützung von allen Seiten bekomme. Diese Ebene ist nicht durch Blockdenken geprägt, was hilfreich ist. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass eine gemeinsame Herangehensweise an Bedeutung gewonnen hat.  

Was meinen Sie mit «technischen Fragen»?

Die beiden Tarifwerke TARDOC und ambulante Pauschalen sind weitgehend unabhängig voneinander entwickelt worden. Sie sind aber zur parallelen Einführung und Anwendung vorgesehen. Das bringt per se technische Fragen mit sich. Wie gelingt es, die beiden Tarifstrukturen koordiniert einzuführen, und dabei unnötigen administrativen Aufwand zu vermeiden? Das ist gegenwärtig der zentrale Knackpunkt, auch angesichts des vorgegebenen Zeitdrucks. Die Tarifwerke sollen in diesem Jahr beim Bundesrat eingereicht werden. Davor finden noch Vernehmlassungen in den Verbänden statt.

Welche Grundsatzfragen gilt es bei der Umsetzung zu berücksichtigen?

Wenn neue Tarifstrukturen etabliert werden, tauchen neue Schnittstellen zu anderen Bereichen und damit verbundene Hindernisse auf, die so gut wie möglich zu antizipieren und anzugehen sind. Bei zwei neuen Tarifwerken ist es umso wichtiger, diese aufeinander abgestimmt einzuführen. Ansonsten besteht das Risiko, dass mehr Fragen als Lösungen entstehen. Bei der Implementierung der beiden Tarifstrukturen gilt es insbesondere zu vermeiden, dass es infolge neuer Spielräume zu einer Volumenausweitung kommt.

Wie beurteilen Sie das Pauschalierungspotenzial der ambulanten Pauschalen?

So wie sie aktuell zur Debatte stehen, basieren die ambulanten Pauschalen auf Konzepten, die sich gemäss meiner Auffassung an jenen aus dem stationären Bereich orientieren. Auf dieser Basis sind pauschale Bewertungen ambulanter Leistungen sicher möglich. Es stellt sich aber die Frage, wie starr bzw. wie dynamisch die Tarifpartner das Konzept der Pauschalen in Zukunft gemeinsam weiterentwickeln wollen bzw. können. Daraus wird sich das eigentliche Potenzial der Pauschalen entfalten.

Führen Sie diesen Gedanken bitte noch etwas aus.

Im Moment orientieren sich die Beteiligten stark an der Trennung ambulant und stationär. Mittel- bis langfristig wird aus meiner Sicht vermehrt eine Diskussion darüber entstehen, wie diese Grenze auch in der Tarifierung in gewissen Bereichen überwunden werden könnte. Es bestehen schon Konzepte von Pauschalen, die ganze Behandlungspfade abdecken. Solche Aspekte gilt es jetzt schon im Hinterkopf zu haben.

Welche Botschaft möchte Sie abschliessend der Leserschaft mit auf den Weg geben?

Alle Beteiligten haben jetzt die Chance, bei der Vergütung der ambulanten Leistungen einen grossen Schritt vorwärtszumachen, indem sie das Gemeinsame vermehrt in den Vordergrund rücken. In diese Richtung arbeite ich mit der wertvollen Unterstützung aller Partnerorganisationen. Auf dieser Basis können die Tarifpartner Strukturen schaffen, die auch in Zukunft im Sinne aller Beteiligter eine sachgerechte Vergütung ambulanter Leistungen ermöglichen.

Kompetenter Leiter der ambulanten Tariforganisation

Rémi Guidon (41) ist seit 2023 CEO der Organisation ambulante Arzttarife AG (OAAT), seit April zu 50 Prozent und ab August zu 100 Prozent. Er verfügt über einen Master of Science in Economics und war neun Jahre bei der SwissDRG AG tätig. Als Leiter der Abteilung Ökonomie war er in die Arbeiten zu den neuen stationären Tarifstrukturen involviert. Als Mitglied der Geschäftsleitung leitete er ab 2020 die Geschäftsbereiche TARPSY (Tarifstruktur stationäre Psychiatrie) und ST Reha (stationäre Tarifstruktur Rehabilitation). Er besitzt ferner einen Executive Master mit Fokus «Healthcare Management». Rémi Guidon ist verheiratet, Vater von zwei Kindern und treibt in der Freizeit gerne Sport.

   

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