Der Teuerungsanstieg im Mai 2022 von 2,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat hat für Schlagzeilen gesorgt. Überraschend ist diese Nachricht aber nicht, hat doch die Inflation in der Schweiz seit 2021 kontinuierlich zugenommen. Hauptgrund sind stark gestiegene Preise bei Importgütern, Wohnungsmieten und Lebensmitteln. Besonders stark ins Gewicht fallen die Energiepreise für Heizöl, Benzin und Gas. Die Schweizerische Nationalbank erhöhte am 17. Juni 2022 den Leitzins um einen halben Prozentpunkt von 0,75 Prozent auf −0,25 Prozent. Damit will sie dem gestiegenen inflationären Druck entgegenwirken und verhindern, dass die Inflation grossflächig auf Waren und Dienstleistungen übergreift.1
Forderungen der Gewerkschaften nach Teuerungsanpassungen bei Löhnen und Renten sowie Prämienverbilligungen liessen nicht lange auf sich warten. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass eine anhaltende Teuerung von über zwei Prozent, der bevorstehende Prämienanstieg von fünf (bis zehn Prozent?) und die Mehrwertsteuererhöhung von 0,4 Prozent im Rahmen der Reform AHV 21 die Lage der Haushalte mit tiefen und mittleren Einkommen verschlechtern wird. Doch würden Lohnerhöhungen eine Lohn-Preis-Spirale auslösen? Der bekannte Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann gibt Entwarnung. Davon seien wir weit entfernt. Lohnerhöhungen von zwei bis drei Prozent im Herbst seien bei guter Wirtschaftslage und Vollbeschäftigung verkraftbar. 2
Diese Entwarnung wird aber im Gesundheitswesen nicht entscheidend sein, sondern die chronisch angespannte finanzielle Lage der Spitäler. Mit zunehmender Inflation wird die Politik einen noch stärkeren Druck auf die Gesundheitskosten ausüben wollen. So ist zu erwarten, dass die Prämien-Entlastungs-Initiative der SP und die Kostenbremse-Initiative der Mitte stark Auftrieb erhalten werden. Dadurch wird für die Spitäler ein toxisches Gemisch aus einerseits Forderungen nach Teuerungsausgleich und Lohnerhöhungen für die Pflegefachkräfte und andererseits weiter sich verschärfenden Kostensparmassnahmen entstehen. Diese Situation wird eine massive Belastungsprobe für die Sozialpartnerschaft darstellen. Entscheidend wird sein, dass die Sozialpartner sich nicht als Gegner, sondern als Verbündete im gleichen Boot begegnen werden.
1 www.snb.ch/de/mmr/reference/pre_20220616_2/source/pre_20220616_2.de.pdf
2 www.beobachter.ch/wirtschaft/experte-zur-inflation-die-teuerung-sollte-voll-ausgeglichen-werden