Im Jahr 2021 verbrachten in der Schweiz etwa eine halbe Million über 70-jährige Personen insgesamt 4,7 Millionen Tage in einem Spital. Dabei handelte es sich um multimorbide und vielfach kognitiv eingeschränkte, vulnerable Patient:innen. Meist ist ihr Ziel die baldmögliche Rückkehr in die vorbestehenden und gewohnten Wohnverhältnisse. Um den Ortswechsel schonend zu gestalten, sollte sich das «institutionale Setting» im Spital anfühlen, riechen und anhören wie ein «Zuhause».¹ Auch aus wirtschaftlichen Gründen ist die stationäre Liegedauer so kurz wie möglich zu gestalten. Dies kann nur in einer Infrastruktur geschehen, welche an die veränderte Wahrnehmung alter Menschen angepasst ist. Sich wohl fühlen hilft im Genesungsprozess.
Gleichzeitig muss die Institution ihre zentralen Aufgaben erfüllen: wirksam sein mit medizinischer, pflegerischer, (sozial-)therapeutischer und seelsorgerischer Betreuung und dabei die Angehörigen optimal einbeziehen; zweckmässig sein, indem die Patient:innen z. B. mit Essen und Trinken versorgt oder technische Infrastruktur wie z. B. Lüftung oder Alarmsysteme sichergestellt werden und sie sollte ökonomisch wirtschaften.
Was braucht es nun, um diese vermeintlichen Gegensätze «sich wohl fühlen» und «Gesundheitsproduktionsstandort Spital» für die alte und vor allem kognitiv eingeschränkte Personengruppe gleichzeitig erfüllen zu können?
Die wichtigste Voraussetzung ist ein Bewusstsein für die veränderte Funktionalität der alten Menschen z. B. in den Bereichen Mobilität und Nahrungsaufnahme und betreffend die eingeschränkten Sinneswahrnehmungen wie Sehschwäche und Altersschwerhörigkeit. «Der Komfort ist ein Geisteszustand, der die Zufriedenheit mit dem gesamten Raumklima oder einem seiner Parameter ausdrückt».² Ist der Geisteszustand durch eine demenzielle Entwicklung beeinträchtigt, kommt zur gealterten Sensorik noch der Verlust des Intellekts hinzu. Wahrnehmungen werden nicht bloss schlechter erkannt, sondern sind für die alten Menschen auch schwieriger interpretierbar. Ist das Raumklima beispielsweise zu laut oder zu warm, gelingt es den Patient:innen nicht, angemessen darauf zu reagieren, es kann zu Agitation bzw. Verwirrung kommen.
Vulnerable Personen sind selbst bei intimsten Tätigkeiten wie dem Toilettengang auf Hilfe angewiesen. Ein «Eindringen» fremder Fachpersonen in die «intime Zone», die Körperkontakt und Nähe bis zu einer Armeslänge umfasst, kann körperliches Unbehagen auslösen. Auch die Nähe in der «persönlichen Zone», Armeslänge bis etwa Gesprächsdistanz, braucht eine Vertrauensbasis. In der «sozialen Zone» des Patientenzimmers wird gegrüsst und man gewöhnt sich aneinander, während die «öffentliche Zone», also beispielsweise die Cafeteria, durch Anonymität geprägt ist.
Grenzübertretungen sind in einem Spital alltäglich. So liegt z. B. ein fremder Mensch im gleichen Zimmer und im Stationsgang ist es lärmig und hektisch. Eine bauliche Umsetzung, welche die verschiedenen Zonen der Bewohnenden respektiert und die Arbeitsprozesse nicht behindert, ist eine weitere Voraussetzung, dass sich der alte Mensch zu Hause fühlen kann.
Agitation kann auftreten, wenn die Sinne der dementen Patient:innen über-, aber auch unterfordert werden. Neben der Vermeidung von unnötigen Grenzüberschreitungen gilt es, die positiven Eigenschaften der vielen Menschen eines Spitalbetriebes zu nutzen. Die Verschärfung des Fachkräftemangels erschwert es, die Mitarbeitenden wieder mehr in den Fokus zu rücken. Gleichzeitig ist die Verlagerung von Pflegeaufgaben in andere Berufsgruppen aber eine Chance. Sensorische Stimuli können z. B. auch in Form von kurzer Interaktion mit einer Person der Raumreinigung oder beim Servieren des wohlriechenden Essens durch das Hotelleriepersonal gesetzt werden.
Fazit: Im auf alte Menschen ausgerichteten Spital der Zukunft besteht die zentrale Herausforderung darin, sich von der herkömmlichen Bauweise von Spitälern zu lösen und die betrieblichen Funktionen mit dem Bedürfnis nach Wohlbefinden sensorisch und intellektuell eingeschränkter Menschen in Einklang zu bringen.
1Bowlby Sifteon C. Setting up surroundings for success and safety. Alzheimer’s Care Today 2007;8 (3):286.
2J. van Hoof et al. The indoor environment and the integrated design of homes for older people with dementia.
Beitragsbild: Während der Blick in den Naturbildern verweilen kann, dient der Hintergrund als beruhigendes Element in der persönlichen Zone Patientenzimmer (Fotos: mit freundlicher Genehmigung von Erica Manole und Jean Odermatt für die Universitäre Altersmedizin FELIX PLATTER).