Nach genau 30 Jahren hat das erste Schweizer Datenschutzgesetz ausgedient. Es wird ab 1. September 2023 durch eine Totalrevision abgelöst, was die Dynamik der digitalisierten Welt der letzten Jahrzehnte widerspiegelt.
Globale Players nutzen unsere Daten, die wir ihnen mit jedem Einkauf per Internet oder an der Scan-Kasse freiwillig übermitteln, für die Bewirtschaftung ihrer breiten Angebote. Aus Sicht der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften (SATW) kann es nicht sein, dass die reine Marktmacht und rechtliche Freiräume sowie Grauzonen dazu führen, dass nur einige wenige von unseren Daten profitieren.
Gemeinsame Datenräume statt Einzelsilos sind also angesagt. Gerade im Gesundheitswesen sollten Personendaten besser genutzt werden, damit:
In Zusammenarbeit mit der Swiss Data Alliance (SDA) und weiteren Organisationen führte die SATW zwischen März 2021 und Juli 2022 drei Roundtables zu Mobilität, Gesundheit und Bildung durch. Ziel war es, wichtige Aspekte und Handlungsbedarfe für eine bessere Nutzung von Personendaten zu identifizieren.
Die Resultate aus diesen Roundtables wurden in Arbeitsgruppen weiter konkretisiert und flossen in das Factsheet ein, das ein gemeinsames Produkt der SATW, der SDA und der Berner Fachhochschule (BFH) ist.
Die «Strategie Digitale Schweiz» setzt die Leitlinien für die digitale Transformation der Schweiz.
Das Netzwerk Digitale Selbstbestimmung fördert den Austausch zu vertrauenswürdigen Datenräumen und digitaler Selbstbestimmung, um für alle Interessensgruppen Mehrwerte zu generiern.
Das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) und die Direktion für Völkerrecht (DV) erarbeiten bis Juni 2023 einen Verhaltenskodex für den Aufbau vertrauenswürdiger Datenräume in der Schweiz.
Das Programm Nationale Datenbewirtschaftung (NaDB) vereinfacht die Datenbewirtschaftung der öffentlichen Hand durch die Mehrfachnutzung von Daten vereinfachen (Once-Only-Prinzip).
Die Motion 22.3890 fordert ein Schweizer Rahmengesetz, das durch die Schaffung vertrauenswürdiger Rahmenbedingungen eine wertschöpfende Sekundärnutzung von Daten fördert.
Das neue Datenschutzrecht tritt am 1. September 2023 in Kraft und passt den Datenschutz den technologischen Entwicklungen an und stärkt die Selbstbestimmung über die persönlichen Daten.
Nach Ablehnung der Vorlage für das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste (BGEID) im März 2021, wird nun im Herbst 2023 die Botschaft zu einem Gesetz für eine staatliche E-ID basierend auf einer selbstbestimmten, digitalen Identität (Self-Sovereign Identity, SSI) erwartet.
Elektronisches Patientendossier
Mit dem elektronischen Patientendossier (EPD) können Patient:innen ihre Gesundheitsinformationen sammeln und mit Leistungserbringer:innen teilen. Die Sekundärnutzung der Gesundheitsdaten für Forschungszwecke ist Teil der Revision des Gesetzes über das EPD (EPDG).
Swiss Personalized Health Network
Das Swiss Personalized Health Network (SPHN) (Förderung über die BFI-Botschaft des Bundes von 2017–2024) baut ein skalierbares Netzwerk auf, das die Sekundärnutzung der Daten verschiedener Datenproduzenten primär für die Forschung erlaubt.
Gesundheitsökosysteme
Die MIDATA-Genossenschaft setzt einen menschenzentrierten Ansatz zur Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten um. Die Inhaber:innen eines Gesundheitsdaten-Kontos haben die volle Kontrolle über die Sekundärnutzung der Daten.
Derzeit entstehen zwei nationale, digitale Gesundheitsökosysteme (Compassana, Well), die ebenfalls Daten erfassen und in ihrem Geschäftsmodell nutzen möchten. Ein weiteres Ökosystem (Movos) ist im Aufbau, welches die Souveränität des Patienten entlang seines Gesundheitspfades ins Zentrum stellt.
Dieses industriepolitische Rahmenwerk fördert eine dezentrale Dateninfrastruktur in Europa. Zentrale Merkmale von Gaia-X sind Datensouveränität, offene Technologien und Interoperabilität. Gaia-X begann 2022 mit der Umsetzung erster Leuchtturmprojekte.
Die SATW ist zum Schluss gekommen, dass ein übergeordneter gesetzlicher Rahmen erforderlich ist, um das vorhandene Potenzial besser erschliessen zu können.
Daher begrüsst die SATW die Motion «Rahmengesetz für die Sekundärnutzung von Daten» (22.3890) der Wissenschaftskommission (WBK-SR) sehr. Diese wurde im Ständerat oppositionslos überwiesen und gelangt nun in den Nationalrat.
In der Begründung zur Motion heisst es: Der grösste Wert der Daten liegt in ihrem fast unbeschränkten Potenzial zur Wiederverwendung für sekundäre Nutzungszwecke. Von Wert sind Daten, wenn sie aus ihren Silos befreit, geteilt, zusammengeführt und für neue (sekundäre) Zwecke genutzt werden. Erst ihre Verknüpfung ermöglicht es, neue Erkenntnissen zu gewinnen und bessere Entscheidungen zu treffen. Daher braucht es vertrauenswürdige Rahmenbedingungen («Datenräume»), um wertschöpfende Sekundärnutzungen der Daten zu ermöglichen und zu fördern.
Entscheidend ist die Erkenntnis, dass das «Hüten von Datensilos» die Schweiz nicht weiterbringt, hohe Kosten nach sich zieht und dadurch praktische digitale Lösungen zu Gunsten von Wirtschaft und Gesellschaft verbaut. Das Beispiel des Gesundheitswesens – und die diesbezüglichen Auswirkungen im Zuge der COVID-19-Pandemie – zeigen dies eindrücklich.
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