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12. Juni 2023

Studie von Avenir Suisse

Für einen Qualitäts- statt Kostenwettbewerb

Kann man die Kosten senken und gleichzeitig die Gesundheitsleistungen ausweiten? Diese Frage ist nur zu beantworten, wenn die Qualität der Leistungen gemessen und verglichen werden kann. Es braucht gemäss einer Studie von Avenir Suisse zudem Finanzierungsmechanismen, die all jene begünstigen, die in die Qualität der Behandlung investieren.

Das Schweizer Gesundheitswesen ist eine Blackbox. Zwar können die Ausgaben exakt beziffert werden: 86 344 Milliarden Franken im Jahr 2021. Der Wert dieser Leistungen für die Patient:innen und die Gesellschaft ist jedoch unbekannt. Ohne einen Paradigmenwechsel, der die Patient:innen und nicht die Leistungserbringenden in den Mittelpunkt stellt, läuft die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens laut einer aktuellen Studie der Denkfabrik Avenir Suisse ins Leere.

Qualität schont auch Finanzen und Personalressourcen

Qualität beschleunigt die Heilung, minimiert Komplikationen, vermeidet Übermedikation und reduziert die Anzahl überflüssiger Therapien. Eine Ressourcenoptimierung ist gemäss Studie unausweichlich in einem System, das solidarisch und kollektiv finanziert ist. Qualität entlang des ganzen Behandlungspfads anzustreben, ist auch für Leistungserbringende ein wichtiges Differenzierungsmerkmal, um die Gunst des immer knapper werdenden Personals zu gewinnen.

Um die Behandlung entlang des gesamten Patientenpfades zu verbessern, braucht es Finanzierungsmechanismen, die eine Aufteilung der «Qualitätsdividende» unter denjenigen ermöglichen, die in die Verbesserung der Behandlung investieren.

Nötig ist eine Diskussion darüber, welchen «Value» das Gesundheitswesen pro investiertem Franken aus Patientensicht schafft (Value-based healthcare). Dies lässt sich nicht in einem System umsetzen, das in «Silos» organisiert und von Regionalpolitik geprägt ist. Um die Behandlung entlang des gesamten Patient:innenpfads zu verbessern, braucht es Finanzierungsmechanismen, die eine Aufteilung der «Qualitätsdividende» unter denjenigen ermöglichen, die in die Verbesserung der Behandlung investieren:

  • Dafür muss erstens die rechtliche Grundlage geschaffen werden, um Spitaltarife durch qualitative Komponenten zu ergänzen.
  • Im ambulanten Bereich ermöglichen zweitens alternative Versicherungsmodelle eine Honorierung der Koordinationsarbeit und helfen dabei unnötige Spitaleintritte zu vermeiden. 2021 hatten sich 76 Prozent der Versicherten einem solchen Modell angeschlossen, gegenüber nur 8 Prozent zwanzig Jahre davor.
  • Eine einheitliche Finanzierung für ambulante und stationäre Leistungen (Efas) würde drittens die Aufteilung der Qualitätsdividenden erlauben. Heute ist für die Krankenversicherer die Vermeidung von Spitalaufenthalten uninteressant, weil ambulante Behandlungen voll zu ihren Lasten verrechnet werden, während die Kosten stationärer Leistungen zu 55 Prozent die Kantone übernehmen.

Von der Basis her entwickeln statt von oben dekretieren

Ein patient:innenzentriertes, mehrwertbasiertes Gesundheitssystem kann nicht top-down per Dekret angeordnet werden, sondern muss von denjenigen entwickelt werden, die es praktizieren. In diesem Sinne hebt die Studie von Diego Taboada und Jérôme Cosandey wegweisende Pilotprojekte hervor.

Transparenz belebt den Qualitätswettbewerb, weil Patient:innen und zuweisende Ärzt:innen faktenbasiert die passenden Spezialist:innen wählen können.

Doch obwohl der Schweizer Markt vor solch innovativen Initiativen sprudelt, versucht die Bundesverwaltung, den Wettbewerb mit der Schaffung von staatlich verordneten, einheitlich organisierten neuen Anbietenden einzuschränken. Dieser Bundesvorschlag ist laut Avenir Suisse abzulehnen. Zur Belebung des Qualitätswettbewerbs führt Transparenz, weil dadurch Patient:innen und zuweisende Ärzt:innen faktenbasiert die passenden Spezialist:innen wählen können.

Um die Akzeptanz von Transparenz bei den Leistungserbringenden zu fördern, empfiehlt sich gemäss Studie eine zweistufige Einführung:

  • In einem ersten Schritt braucht es Zugang zu den Qualitätsdaten unter dem Schutz der Anonymität. In dieser Phase
    sollte jeder Leistungserbringende nur seine Daten im Vergleich zu denjenigen der Konkurrenz sehen,
    ohne die Mitbewerbenden namentlich identifizieren zu können.
  • In einer zweiten Etappe werden die Qualitätsmessungen für Patient:innen, Leistungserbringende und Krankenversicherer zugänglich gemacht. Der Staat sollte den zeitlichen Rahmen für die Einführung eines solchen Benchmarkings festlegen.

Vision eines mehrwertbasierten Gesundheitssystems gemeinsam entwickeln

Die neue Publikation weist in drei Schritten den Weg hin zu einem wertorientierten Gesundheitssystem:

  1. Definition und Messung von Ergebnisindikatoren,
  2. finanzielle Mechanismen zur Vergütung des Mehrwerts für die Patient:innen,
  3. und Transparenz über die Qualität und die Kosten der Versorgung.

Laut den Studienautoren ist es entscheidend, die gemeinsame Vision eines mehrwertbasierten Gesundheitssystems unter Leistungserbringenden, medizinischen Fachgesellschaften, Patient:innenverbänden und Versicherern gemeinsam zu entwickeln. Damit werden Fehlanreize reduziert, die Interessen der Stakeholder auf das gemeinsame Ziel gerichtet und mit einer dezentralen Organisation die Flexibilität und die Resilienz des Schweizer Gesundheitswesens gefördert.

Beitragsbild: SDI Productions, Canva.com

   

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