Ein Spital ist eine komplexe Organisation mit vielen Berufsgruppen, Leistungsbereichen, Interessen und Emotionen. Um eine faire Zuteilung der Ressourcen sicherzustellen, braucht es Objektivität und da helfen Kennzahlen sehr. Ferner ist es auch in einem Spital wichtig zu wissen, womit man Geld verdient bzw. verliert. Dieser Grundsatz wird immer relevanter.
Kennzahlen beginnen bei der Organisation eines Betriebs. In unserer Geschäftsleitung sind verschiedene medizinische Departemente vertreten. Es handelt sich um echte Geschäftseinheiten mit Zielen bezüglich Leistung, Kosten und Erträgen. Monatlich schauen wir in der Geschäftsleitung diese Kennzahlen an. Primär sind die Departemente verantwortlich dafür, dass die Zahlen stimmen.
Um Ressourcen fair zu verteilen, braucht es Objektivität und da helfen Kennzahlen sehr.
Das Departement Chirurgie hat eine eigene Ergebnisverantwortung betreffend allen entsprechenden medizinischen Leistungen inklusive der Pflege, stationär und ambulant. Wenn das Gesamtergebnis im grünen Bereich ist, muss die Leitung aus meiner Sicht nicht ins Detail gehen. Wenn die Zahlen jedoch stark vom vereinbarten Pfad abweichen, dann gilt es bei den Sach- oder Personalkosten genauer hinzuschauen.
Wir haben für alle Geschäftseinheiten je vier strategische Erfolgsfaktoren formuliert und zwar betreffend Mitarbeitenden und Ressourcen, Leistungserbringern und Qualität, Prozessen und Patient:innen sowie Wirtschaftlichkeit. Zu jedem dieser vier Faktoren definieren wir strategische Ziele, davon abgeleitete Messgrössen, Massnahmen und Zuständigkeiten.
Einige Aspekte sind generell noch wenig verbreitet. So wäre es wichtig, alle Daten in einem Auswertungs-Tool zusammenzuführen: Finanzzahlen, Leistungszahlen, Daten aus den Bereichen HR, Qualität, Projekte und Prozessdaten. Für alle diese Kennzahlen braucht es Definitionen, die Daten müssen gesammelt und verifiziert werden. Da kommt es öfters vor, dass Daten teilweise fehlen, nicht in der gewünschten Kadenz oder Qualität verfügbar sind oder sie zwar stimmen, aber nicht kombiniert analysierbar sind. Gerade diese Kombination wäre aber besonders interessant.
Mit Kennzahlen zu arbeiten, ist klar eine Frage der Betriebskultur.
Die Daten zur Auslastung der Räume sind oftmals nicht präzise genug. Es ist schwierig, hierzu immer über alle notwendigen Informationen zu verfügen und Spitzen und Leerzeiten bei der Raumbelegung zu erkennen. Diese präzise und regelmässig zu messen, ist aber gar nicht so einfach. Wünschenswert sind auch vollständige Zahlen zur Belegung von Betten, medizinischen Geräten und OP-Sälen. Auch bei der Definition und Messung der Auslastung von Pflege, Ärzt:innen und des Personals im Allgemeinen bestehen in vielen Spitälern Lücken, also bei der eigentlich wichtigsten Kennzahl.
Noch eher selten sehe ich in Spitälern Spartenrechnungen, die in der Industrie Gang und Gäbe sind. Für die Führung ist es aber interessant, das Ergebnis pro Geschäftsfeld zu kennen, also beispielsweise des stationären allgemeinen versus des zusatzversicherten Teils. Im KSGR sind wir daran, eine solche Spartenrechnung aufzubauen. Luft nach oben gibt es in vielen Spitälern ferner bei Liquiditätskennzahlen, welche die Entwicklungen in der Vergangenheit aufzeigen, aber auch in der nahen Zukunft prognostizieren. Allgemein mangelt es an prospektiven, in die Zukunft weisenden Kennzahlen, die als Frühwarnindikatoren dienen.
Wichtig ist, Entwicklungen zu beobachten und nicht absolute Kennzahlenwerte.
Ich würde mir monatliche Finanzzahlen zu aktuellen Auslastungen und idealerweise auch zu jenen der nächsten zwei bis drei Monate wünschen. Ebenfalls grossen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit haben Qualitätsmesszahlen und Prozesskennzahlen. So ist beispielsweise bei hohen Qualitätsraten in der Regel auch die Verweildauer der Patient:innen kurz. Hinzu kommen die klassischen Finanzzahlen wie Erfolgsrechnungen und Kostensätze. Wichtig ist es, gute buchhalterische Abgrenzungen zu haben, damit die Ergebnisse nicht zu spät eintreffen.
Um den Fokus zu behalten, ist es manchmal besser, weniger und dafür qualitativ gute Zahlen zu erheben, um die wichtigen Tendenzen zu erkennen. Hilfreich sind zudem ein präzises Organigramm und klare Kompetenzen. Diese erleichtern auch die Umsetzung der Kennzahlen. Absolut zentral ist eine gute Qualität der Stammdaten zu Patient:innen, Mitarbeitenden und Betten.
Aktualität hat Vorrang vor Vollständigkeit und Handlungsorientierung ist wichtiger als Genauigkeit.
Schöne Kennzahlen bringen in der Tat nichts, wenn die Konsequenzen daraus nicht getragen werden. Es braucht den Willen, Punkte ehrlich anzusprechen, denn Kennzahlen bedeuten immer auch Transparenz. Schadenfreude hat keinen Platz, sondern vielmehr die Erkenntnis, dass alle im gleichen Boot sitzen und einander helfen. Wenn etwas nicht gut läuft, macht die verantwortliche Person Lösungsvorschläge. Das geht besser in einem vertrauensvollen Umfeld. Mit Kennzahlen zu arbeiten, ist daher ganz klar eine Frage der Betriebskultur. Die Umsetzung darf nicht in ein IT-Projekt verkommen, wie dies oftmals der Fall ist, denn es handelt sich um eine Führungsaufgabe. Beim Umgang mit den Ergebnissen von Kennzahlen ist eine gute Portion an Gelassenheit notwendig, um nicht mit Panikreaktionen über das Ziel hinauszuschiessen.
Folgende drei Grundsätze haben mich in meinen früheren Funktionen als Finanzchef und Controller stets begleitet und sind auch heute als CEO zentral: Erstens ist es wichtiger, die Entwicklung über die Zeit zu erkennen, darüber zu diskutieren und die Ursachen zu ergründen, als beim absoluten Wert einer Kennzahl hängenzubleiben. Zweitens hat die Aktualität Vorrang vor der Vollständigkeit. Also lieber ein nicht vollständiges Set an Kennzahlen rasch bereit haben als ein paar Wochen später perfekt vervollständigte Kennzahlen. Und drittens ist Handlungsorientierung wichtiger als Genauigkeit. Hilfreich sind Kennzahlensysteme, die wichtige Tendenzen und Zusammenhänge aufzeigen und Grundlagen für Handlungen darstellen.
Beitragsbild: Aussicht aus dem Kantonsspital Graubünden in Chur (zvg).