Noch vor fünf Jahren war es einfach: Innerhalb eines Vormittags ist ein Vertrag verhandelt und bereit zur Unterschrift – knapp formuliert mit den wichtigsten Mehrleistungen wie der freien Arztwahl, komfortablen Einer- oder Zweier-Zimmern oder der erweiterten Menüauswahl. 2020 schaltete sich die Finanzmarktaufsicht (Finma) ein. Die Finma erwartet seither, dass die Versicherungen nur transparente Abrechnungen für echte Mehrleistungen akzeptieren. Von da an wurden die Mehrleistungen akribisch den Kategorien ärztliche Leistung, klinische Leistung bzw. Leistungen für Hotellerie/Komfort zugeordnet. Sie werden gemäss dem Branchen-Framework des Schweizerischen Versicherungsverbandes sortiert, verglichen und bewertet.
Es wird heiss diskutiert, in welche Kategorie das «Willkommensschöggeli» fällt und ob es eine «Schöggeli»-Differenzierung zwischen den Versicherungskategorien gibt. Es wird erörtert, wie das Spital sicherstellt, dass der Versicherte in den Genuss des «Schöggelis» kommt und es nicht etwa der Patient im Nachbarsbett «stibitzt». Falls das «Schöggeli» in seiner Kategorie eine Kernleistung darstellt, muss es vom Patienten tatsächlich gegessen werden, sonst kann die gesamte Kategorie nicht in Rechnung gestellt werden. Deshalb muss das Spital alle Mehrleistungen des Zusatzversichertenbereiches genau definieren und sicherstellen, dass sie tatsächlich bei den Patient:innen ankommen.
Die Herausforderung: Im neuen Hauptgebäude des Inselspitals sind nur noch Einzel- und Zweierzimmer geplant. Das birgt die Gefahr, dass zwischen den Versicherungskategorien nicht mehr klar differenziert werden kann. Daher gab der Verwaltungsrat im Mai 2022 den Auftrag, auf einer «strategischen Freifläche» im obersten Stockwerk des Neubaus eine Abteilung für Zusatzversicherte zu entwerfen. Sofort wurde das Projekt «Insel Premium» mit Hochdruck gestartet.
Im Projektteam war neben einer ärztlichen, pflegerischen und betriebswirtschaftlichen Vertretung auch die Hotellerie involviert. Stets im Fokus war die Frage: Welche echten Mehrleistungen wollen wir den Zusatzversicherten bieten? In der ersten Phase stellte das Projektteam sicher, dass alle infrastrukturellen Anforderungen der Zusatzversicherungen erfüllt werden. Es wurde mitunter hitzig diskutiert: Braucht es pro Bett einen zusätzlichen Flachbildschirm? Die Antwort: Ja, nach Anfrage von einigen Zusatzversicherern. Dürfen Parkettböden verlegt werden? Die Antwort: Nein, nach Rücksprache mit Hygiene-Expert:innen. Weiter suchte das Projektteam Lösungen für kostenlose Parkplätze und erstellte Konzepte für zusätzliche Verpflegungsangebote. Es wurden digitale Medienangebote zusammengestellt (Streaming, payTV, etc.) und neue Funktionen definiert (z. B. Guest Relation Mitarbeitende).
Dann folgte eine unerwartete Mitteilung: Statt wie vorgesehen im Sommer 2024, konnte die Abteilung bereits im Januar 2024 ihren Betrieb aufnehmen. Daher wurde das Projektteam sofort mit Mitarbeitenden aus den Bereichen ICT, HR, Facility Services und Logistik erweitert.
Neben operativ zu lösenden Themen (z. B. welche Medikamente bei Inbetriebnahme an Lager sein müssen) und Rekrutierungen lief das Marketing an. Es wurden eine Homepage erstellt und Anlässe mit Versicherungen, Zuweisenden und Mitarbeitenden organisiert. Parallel dazu führte das Projektteam Diskussionen mit der Geschäftsleitung zum Betriebskonzept.
Die klinikübergreifende Abteilung, welche die kaderärztliche Betreuung und Bezugspflege sicherstellt, wurde in der Organisation verortet. Es wurde geregelt, welche Ein- und Ausschlusskriterien für Patient:innen gelten. Wichtig war auch der Entscheid, die Abteilung schrittweise in Betrieb zu nehmen, um das Fachwissen auf der Abteilung sukzessive aufzubauen. Am 8. Januar 2024 war es soweit: Die ersten Patient:innen konnten in der modernsten universitären Halbprivat- und Privatabteilung der Schweiz versorgt werden.
Diese Faktoren machten das Projekt zum Erfolg: Starker Rückhalt in der Geschäftsleitung, funktionierendes interdisziplinäres Projektteam und ein echtes Mehrleistungskonzept mit den Bedürfnissen der Zusatzversicherten im Zentrum. Wichtig war zudem der intensive Austausch mit den Zusatzversicherungen.
Info: inselpremium.ch
Beitragsbild: Bei der baulichen Realisierung wurde auf hochwertige Materialien und ausgesuchtes Mobiliar geachtet (Foto: Insel Gruppe / Pascal Gugler).