Die demografische Entwicklung stellt die Akutspitäler vor wachsende Herausforderungen: Etwa ein Drittel aller Notfallpatient:innen ist über 75-jährig. Diese Altersgruppe benötigt spezialisierte Versorgungskonzepte, die auf ihre besonderen Bedürfnisse zugeschnitten sind.
Mit der Einführung eines strukturierten Clinical Pathway für die geriatrische Akutrehabilitation (GAR) im Jahr 2024 hat das Kantonsspital Aarau (KSA) einen zukunftsweisenden Standard in der Patientenversorgung gesetzt.
Der Versorgungspfad beginnt bereits im Interdisziplinären Notfallzentrum (INZ). Patient:innen ab 75 Jahren mit einem orthopädisch-chirurgischem Trauma und stationärem Behandlungsbedarf werden mithilfe validierter Screeninginstrumente systematisch erfasst:
Diese Früherkennung ermöglicht es, die Patient:innen zielgerichtet in den GAR-Prozess zu steuern. Je früher und gezielter die geriatrische Akutrehabilitation beginnt, desto besser sind die Therapieergebnisse.
Nach der Identifikation im Notfallzentrum und der Definition als «GAR-Patientin beziehungsweise -Patient» im Klinikinformationssystem erfolgt die Aufnahme auf die spezialisierten Stationen. Zentral für den Pathway ist die enge Kooperation der Klinik für Orthopädie und Traumatologie mit dem akutgeriatrischen Leistungsbereich und dem Notfallzentrum des KSA. Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit steht für eine moderne Versorgung alterstraumatologischer Patient:innen.
Ein besonderer Fokus liegt auf der verbesserten Kommunikation: Patient:innen erleben eine intensivere Interaktion mit dem Fachpersonal. Auch Angehörige sind systematisch eingebunden und haben jederzeit die Möglichkeit, persönlich mit den behandelnden Ärzt:innen in Kontakt zu treten – ein Serviceaspekt, der von den Familien besonders geschätzt wird.
Der strukturierte Behandlungspfad umfasst:
Eine Besonderheit: Bereits bei der Aufnahme wird ein prospektives Austrittsdatum – optimal nach acht Tagen – festgelegt. Dies sorgt für einen klar strukturierten Behandlungsprozess und eine effiziente Nutzung der Ressourcen. Die Austrittsplanung orientiert sich flexibel am individuellen Verlauf und an den Präferenzen der Patientin bzw. des Patienten.
Die Bilanz seit der Einführung des Clinical Pathway ist beachtlich: Alle für das letzte Quartal 2024 gesetzten Ziele wurden erreicht und umgesetzt. Für 2025 wurde das ehrgeizige Ziel gesetzt, 300 GAR-Patient:innen zu behandeln, um ihre Versorgung gezielt zu optimieren – mit folgenden messbaren Verbesserungen:
Alterstraumatologische Patient:innen stürzen nicht ohne Grund. Wichtig ist es, hinter dem akuten Trauma auch die zugrundeliegenden funktionellen Einschränkungen zu erkennen und zu behandeln. Es geht darum, die Mobilität der Patient:innen nicht nur isoliert orthopädisch-unfallchirurgisch zu betrachten, sondern bereits in der Akutphase einen ganzheitlichen Therapieansatz für einen nachhaltigeren Therapieerfolg zu entwickeln.
Das Institut für Altersmedizin am KSA bildet eine solide Basis für den Erfolg des Clinical Pathway. Hier werden systematische Schulungen für das Pflegepersonal und die Ärzteschaft entwickelt und durchgeführt. Dies sichert eine einheitliche Qualität in der Umsetzung des GAR-Konzepts. Zudem treibt das Institut die Forschung in der Altersmedizin voran. Aktuell ist eine Studie beim Forschungsrat eingereicht worden, die sich mit der systematischen Erfassung von Hyponatriämie (niedriger Natriumspiegel im Blut) bei Alterspatient:innen befasst.
Die erfolgreiche Implementierung des GAR-Prozesses schafft eine solide Grundlage für weitere klinische Entwicklungen. Bereits jetzt ist für Ende 2025 eine offizielle Zertifizierung des Clinical Pathway geplant, welche die Qualität und Nachhaltigkeit dieses Konzepts unterstreicht.
Die am KSA entwickelte Struktur könnte als Modell für andere Schweizer Spitäler dienen. Vor dem Hintergrund der WHO-Deklaration, welche die Jahre 2020-2030 zum «Jahrzehnt des gesunden Alterns» erklärt hat, hat das interdisziplinäre Ärzte-Team im KSA bereits konkrete Behandlungskonzepte realisiert.
Der Clinical Pathway in der geriatrischen Akutrehabilitation am KSA steht beispielhaft für eine zukunftsorientierte, patientenzentrierte Medizin, die auf wissenschaftlicher Evidenz basiert und sowohl medizinisch als auch ökonomisch überzeugt.
1Die enge Kooperation zwischen der Orthopädie und der Akutgeriatrie führt bei den traumatologischen Alterspatient:innen dazu, dass sich die Zeit bis zur OP und die Gesamtverweildauer deutlich verkürzen. Aktuell beträgt die Verweildauer der alterstraumatologischen Patient:innen 9,8 Tage. Auch die Dauer bis zum Start der Therapie im Alterstraumazentrum ist sehr kurz, aktuell 0,45 Tage. Allein dieser Effekt bewirkt eine deutliche Verbesserung der ökonomischen Ergebnisse der im Clinical Pathway betreuten Patient:innen.
Beitragsbild: Dr. med. Wolfram Weinrebe, der auch als Leiter des Instituts für Altersmedizin am Kantonsspital Aarau (KSA) fungiert, im Gespräch mit einer Patientin (Foto: KSA).