Ärztin und Senior, Ausgabe 5, Pflege im Alter, Canva.com
Competence Readtime4 min
15. Oktober 2024

Focus

H+ Beitrag

Die Finanzierung der Pflege im Alter hat viele Baustellen

Die Behandlung, Pflege und Betreuung von betagten Menschen ist anspruchsvoll und kostet Geld. Das hat auch die Politik erkannt. Die aktuelle Finanzierung steht derzeit auf dem Prüfstand.
Competence Stefan Berger

Autor

Stefan Berger

Fachverantwortlicher Gesundheitspolitik, H+ Die Spitäler der Schweiz

stefan.berger@hplus.ch

Das Bundesgesetz über die Neuordnung der Pflegefinanzierung wurde 2008 vom Parlament beschlossen. Seit Inkrafttreten im Jahr 2011 muss die obligatorische Krankenversicherung (OKP) nach Zeitaufwand abgestufte fixe Beiträge an die Pflegeleistungen entrichten. Die Patient:innen tragen maximal 20 Prozent der höchsten Versicherungsbeiträge, die in der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) festgelegt sind. Die Restkosten trägt die öffentliche Hand, also Kantone oder Gemeinden. Zuständig für die Regelung der Restfinanzierung ist derjenige Kanton, in dem die versicherte Person ihren Wohnsitz hat (Herkunftskanton).

H+ hat wiederholt auf fundamentale Mängel in der Pflegefinanzierung aufmerksam gemacht, insbesondere auf die zu tief angesetzten OKP-Beiträge und den föderalen Flickenteppich bei der Restfinanzierung.

Pflegefinanzierung braucht mehr als ein Facelifting

Die Verbände der stationären und ambulanten Leistungserbringer, darunter H+, haben wiederholt auf die fundamentalen Mängel in der Pflegefinanzierung aufmerksam gemacht: Die zu tief angesetzten OKP-Beiträge, den föderalen Flickenteppich bei der Restfinanzierung und die unzureichende Finanzierung an der Schnittstelle zwischen Akut- und Langzeitversorgung. Eine Gesamtrevision des Gesetzes tut Not, mit folgenden Eckwerten:

  • schweizweit einheitliche Kriterien für die Restfinanzierung durch die öffentliche Hand
  • regelmässige Anpassung der OKP-Beiträge an die Kostenentwicklung
  • bessere Regelung der Vergütung der Akut- und Übergangspflege (AÜP)

Zwar hat der Bundesrat zwischenzeitlich die OKP-Beiträge für die stationären Pflegeleistungen einmalig um 83 Millionen Franken erhöht. Doch ist dies nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Zudem hat er gleichzeitig die Beiträge im ambulanten Bereich (Spitex) gesenkt, ungeachtet der auch dort bestehenden Finanzierungslücken. Für eine regelmässige Anpassung der Beiträge an die Kostenentwicklung sieht der Bundesrat weiterhin keinen Bedarf, wie er in seinem Bericht zum Stand der Umsetzung der Pflegefinanzierung vom 1. Mai 2024 schreibt.

Hoffen auf die einheitliche Finanzierung (EFAS)

Die grössten Umsetzungsdefizite bestehen auch aus Sicht des Bundesrats nach wie vor bei der Restfinanzierung. Gemäss Bundesgericht sind die Kantone bzw. Gemeinden verpflichtet, sämtliche nicht-gedeckten Pflegerestkosten zu übernehmen, selbst wenn diese die kantonal festgesetzten Normkosten übersteigen. Doch setzen die Kantone das höchstrichterliche Urteil sehr unterschiedlich um, was einer stossenden Ungleichbehandlung der Patient:innen gleichkommt.

Als notwendige Voraussetzung für einen Einbezug der Pflegeleistungen in EFAS gilt, dass die Tarife auf einer einheitlichen und transparenten Kosten- und Datenbasis vorliegen müssen.

Eine Entschärfung dieses Problems erhofft sich der Bundesrat von der einheitlichen Finanzierung (EFAS), die, falls sie vom Volk angenommen wird, auch die Langzeitpflege einschliessen würde. Allerdings ist in diesem Bereich eine siebenjährige Übergangsfrist vorgesehen. Als notwendige Voraussetzung für einen Einbezug der Pflegeleistungen in EFAS gilt, dass die Tarife auf einer einheitlichen und transparenten Kosten- und Datenbasis vorliegen müssen. In dieser Hinsicht besteht noch Nachholbedarf, wie der Bundesrat festhält.

Akut- und Übergangspflege (AÜP) praxistauglich gestalten

Mit der Neuordnung der Pflegefinanzierung wurde auch die AÜP im KVG verankert. Doch in der geltenden Form wird sie durch zwei Mängel ausgehebelt: Die zeitliche Begrenzung auf 14 Tage und die Nichtvergütung der Aufenthaltskosten (Hotellerie). Zwar erkennt auch der Bundesrat, dass die AÜP heute nur lückenhaft angeboten wird und dass Patient:innen, die nach einem Spitalaufenthalt noch nicht in ihr gewohntes Umfeld zurückkehren können, häufig nicht adäquat versorgt werden. Doch ist er der Meinung, dass der Gesetzgeber den Kantonen genügend Spielraum gebe, entsprechende Übergangsangebote zu fördern.

Leider hat das Parlament die Chance vertan, bei der Akut- und Übergangspflege (AÜP) im Zuge der EFAS-Beratungen nachzubessern.

Diese Lesart greift zu kurz. Die von Anfang an unzureichende Konzeption der AÜP verhindert, dass diese zum Fliegen kommt. H+ fordert daher Nachbesserungen: Die gesetzliche Dauer ist auf mindestens vier Wochen auszudehnen, mit der Möglichkeit einer einmaligen Verlängerung bei nachgewiesenem Bedarf. Und die Kosten für Hotellerie und Betreuung sind wie bei einem Spitalaufenthalt durch OKP und Kantone zu vergüten. Leider hat das Parlament die Chance vertan, bei der AÜP im Zuge der EFAS-Beratungen nachzubessern. Ein darauf zielender Antrag von H+ Präsidentin Regine Sauter fand im Nationalrat keine Mehrheit.

Sorgenkind Palliative Care

Ungeklärt ist auch die Frage der angemessenen Finanzierung von Leistungen in komplexen Pflegesituationen (Demenz, Palliative Care). Dabei geht es auch um Leistungen, die heute ausserhalb des Zweckbereichs der OKP liegen und in erster Linie von den Patient:innen selbst bezahlt werden müssen. Eine vom Parlament überwiesene Motion, die eine schweizweit bedarfsgerechte Behandlung und Betreuung aller Menschen am Lebensende verlangt, harrt seit Jahren der Umsetzung.

Ungeklärt ist auch die Frage der angemessenen Finanzierung von Leistungen in komplexen Pflegesituationen (Demenz, Palliative Care).

Die zuständige Kommission des Ständerats wird sich im Frühjahr 2025 erneut mit dem Thema befassen, wie sie in einer Medienmitteilung von August 2024 schreibt. Für H+ ist wesentlich, dass alle Versorgungsbereiche der allgemeinen und spezialisierten Palliative Care berücksichtigt werden: ambulant, stationär und an den Schnittstellen (vgl. Positionspapier der Allianz für eine angemessene Finanzierung der Palliative Care vom 3. November 2023, oberstes Dokument unter www.hplus.ch/de/politik/palliative-care).

Beitragsbild: Canva.com

   

Bleiben Sie informiert über aktuelle Themen mit unserem monatlichen Newsletter