Als Element der Spitalführung mit Kennzahlen (siehe «Führung mit Kennzahlen wird auch im Spital immer wichtiger», Competence 2/2024) setzen die Schweizer Spitäler zunehmend auf Benchmarking. Beim Benchmarking vergleicht sich eine Gruppe von Spitälern anhand ausgewählter Kennzahlen, beispielsweise in den Bereichen Finanzen, Personal oder Prozesse.
Dadurch identifizieren die Spitäler Best Practices, um diese Erfahrungen auf die Benchmarking-Partner zu übertragen. Praktiken sind wiederkehrende Handlungsmuster in der Kernwertschöpfung (z. B. Austrittsplanung), in den unterstützenden Bereichen (z. B. Beschaffung) oder im Management (z. B. Organisationsstrukturen, Muster der Entscheidungsfindung). Benchmarking erfordert erhebliche Ressourcen. Die Praktiken sind kontextspezifisch entstanden und können nicht eins zu eins von einem Spital auf ein anderes übertragen werden. Der jeweilige Kontext besteht aus formalen Regeln und implizitem Wissen, aus gemeinsam definierten Zielen und aus einer spezifischen Kombination materieller Ressourcen wie Geräte, Räume oder Personal.
Benchmarking erfordert Vertrauen unter den Partnern, um sich gegenseitig Einblicke in die internen Praktiken zu gewähren. Damit Benchmarking gelingt, sollte es als langfristiger, spitalübergreifender Lernprozess mit folgenden vier Phasen angelegt sein (siehe Grafik):
«Für die Spitalzentrum Biel AG ist Benchmarking ein essenzielles Instrument, um die relevanten Themenfelder zu erkennen, bei denen Veränderungen im Unternehmen notwendig und sinnvoll sind. In den Benchmarks werden nicht nur Finanz- und Leistungszahlen analysiert, sondern auch Prozesse und Organisationsstrukturen verglichen.
Bei den Organisationsstrukturen geht es darum, die Effizienz und Effektivität der Organisation im Sinne der sich ständig ändernden Anforderungen von aussen weiterzuentwickeln und Best Practice Input aus anderen Organisationen zu erhalten. Ein gezielter und auf bestimmte Fragestellungen bezogener Vergleich mit anderen Spitälern fördert den kritischen Blick auf die eigenen Strukturen.
«Führungsverantwortliche sollten u. a. den Nutzen aus Betriebsvergleichen erkennen und die Kompetenz besitzen, einen offenen und vertrauensbasierten Austausch mit Peers zu pflegen.»
Die Spitalzentrum Biel AG muss in der komplexen Struktur des schweizerischen Gesundheitswesens und den damit einhergehenden Herausforderungen ein besonderes Augenmerk auf die Fähigkeiten der Führungsverantwortlichen legen. Sie sollten u. a. den Nutzen aus Betriebsvergleichen erkennen und die Kompetenz besitzen, einen offenen und vertrauensbasierten Austausch mit Peers zu pflegen.
Im Konsortialprogramm des CAS-Weiterbildungsprogramms für Führungskräfte mit der Universität St.Gallen (Spitalzentrum Biel, Spital STS AG Thun und Kantonsspital Winterthur) engagieren wir uns seit drei Jahren (siehe Kasten unten). Wir erleben bei den Teilnehmenden einen signifikanten Entwicklungsprozess, der sich einerseits im Verständnis für die Herausforderungen und andererseits in der Art und Weise der Herangehensweise für Lösungen und andere Konzepte zeigt. Dieser Entwicklungsprozess ist insbesondere auf den regelmässigen und vertrauensbasierten Austausch zwischen den Konsortialpartnern und auf das sich dadurch etablierte Netzwerk zurückzuführen.»
Der beschriebene Benchmarking-Prozess eignet sich u. a. auch für Managementpraktiken. Dabei geht es darum, über Organisationsstrukturen und die Art und Weise zu lernen, wie die Benchmarking-Partner in ihren Spitälern zu tragfähigen Entscheidungen kommen. Hierfür haben sich z. B. das Spitalzentrum Biel, die Spital STS AG Thun und das Kantonsspital Winterthur entschlossen, den Lernprozess mithilfe eines gemeinsamen Weiterbildungsprogramms zu systematisieren (siehe unten).
Entscheidend bei der Gestaltung des Lernprozesses ist es, einen unbürokratischen Ablauf und konstruktiven Dialog sicherzustellen. Daraus erwächst das gegenseitige Vertrauen für eine allseits bereichernde Lernerfahrung. So kann Benchmarking einen wichtigen Beitrag leisten, die aktuellen Herausforderungen im Gesundheitswesen gemeinsam zu bewältigen.
Um ihr Benchmarking zu systematisieren, kooperieren das Spitalzentrum Biel, die Spital STS AG Thun und das Kantonsspital Winterthur seit drei Jahren in einem Weiterbildungsprogramm für Führungskräfte mit der Universität St.Gallen. Ein wichtiges Element dieses Konsortiums ist das Benchmarking von Managementpraktiken.
Das Weiterbildungsprogramm zielt darauf ab, die Managementpraktiken der drei Spitäler in einem wissenschaftlich moderierten Lernprozess sichtbar zu machen.
Der Begriff Managementpraktiken bezieht sich auf geeignete Organisationsstrukturen und die alltäglich gelebte, oft unbewusste Art und Weise, wie Entscheidungen von spitalweiter Relevanz vorbereitet, getroffen und umgesetzt werden. In Expertenorganisationen wie Spitälern sind die Managementpraktiken häufig durch Abgrenzungstendenzen («Gärtchendenken»), bilaterale Absprachen, Intransparenz und Machtunterschiede gekennzeichnet. Während diese Praktiken bislang funktional gewesen sein mögen, stossen sie bei der Bearbeitung spitalweiter Themen zunehmend an ihre Grenzen. Das Weiterbildungsprogramm zielt darauf ab, die Managementpraktiken der drei Spitäler in einem wissenschaftlich moderierten Lernprozess sichtbar zu machen, zu reflektieren und mit Blick auf die heutigen Herausforderungen weiterzuentwickeln.
Learning Journeys in einem der drei Spitäler
Eines von mehreren Formaten des Lernprozesses sind die sogenannten «Learning Journeys». Dabei besuchen die Teilnehmenden im Rahmen der Weiterbildung eines der drei Partnerspitäler und reflektieren die Managementpraktiken des Gastgebers anhand aktueller Fragestellungen wie Strategiearbeit, Personalgewinnung oder der Optimierung von Prozessen und Strukturen. Die Learning Journeys folgen den vier Phasen des Benchmarkings, wie am Beispiel eines Besuchs im Spitalzentrum Biel ersichtlich wird:
Insgesamt ermöglicht die Learning Journey in den vier Benchmarking-Phasen einen systematischen Vergleich der Praktiken der Partnerspitäler. Im gemeinsamen Lernen erkennen sie blinde Flecken des eigenen Handelns und können die eigenen Praktiken dadurch gezielt weiterentwickeln. Im Kontext der grossen Herausforderungen, mit denen die Schweizer Spitäler heute konfrontiert sind, wird die Arbeit an der eigenen Managementpraxis zu einem zentralen Erfolgsfaktor.
Beitragsbild: Canva.com