Die Umwelt liegt vielen Mitarbeitenden in Spitälern am Herzen – dies zeigen zahlreiche Initiativen von Einzelpersonen und Betrieben sowie von nationalen und internationalen Verbänden im Gesundheitsbereich. Damit ein Engagement auch Früchte trägt, ist eine fundierte Entscheidungsgrundlage wichtig, also Wissen darüber, welche Spitalbereiche besonders umweltrelevant sind und ob die Umwelteffizienz erhöht werden kann, ohne die Qualität der Gesundheitsdienstleistungen zu beeinträchtigen. Das Forschungsprojekt «Green Hospital» hat diese zwei Aspekte als Teil des Nationalen Forschungsprogramms 73 «Nachhaltige Wirtschaft» des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) untersucht.
Die Umweltauswirkungen des Spitalbetriebs wurden mit einer Ökobilanz analysiert, welche den gesamten Lebenszyklus berücksichtigt – von der Herstellung der eingekauften Produkte im Spital, über deren Nutzung bis hin zur Entsorgung. Um einen möglichst vollständigen Blick zu erhalten, wählte das Forschungsteam eine Bewertungsmethode, die verschiedene Umweltauswirkungen mithilfe der Schweizer Umweltziele gewichtet. Es handelt sich dabei um die Methode der ökologischen Knappheit, die auch vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) empfohlen wird. Die Ökobilanz1 wurde basierend auf Primärdaten berechnet, die in einer schweizweiten Umfrage von insgesamt 33 Schweizer Akutspitälern zur Verfügung gestellt wurden.
Die Analyse zeigt, dass die Bereiche Verpflegung und Gebäudeinfrastruktur am relevantesten sind, gefolgt von Strom und Wärme (siehe Grafik 1). Die Umweltrelevanz dieser beiden Bereiche hängt sehr stark von der genutzten Energiequelle ab, weshalb zwischen den 33 Spitälern grosse Unterschiede bestehen. Die Bereiche Wassernutzung, Papierbedarf, Wäsche sowie medizinische Grossgeräte (in der Grafik 1 im «Rest» zusammengefasst) sind jeweils für weniger als zwei Prozent der Umweltauswirkung verantwortlich, sodass diesbezüglich nur kleine Einsparungen gemacht werden können.
Die berechnete Umweltauswirkung der verschiedenen Bereiche in den 33 Spitälern wurde weiter für eine Effizienzanalyse genutzt, um zu untersuchen, wie weit die einzelnen Ergebnisse der Schweizer Akutspitäler von der maximalen Umwelteffizienz, also von den geringsten Umweltauswirkungen pro erbrachter Leistung, entfernt sind. Die Bestimmung dieser maximalen Effizienz, die gewissermassen einer Best-Practice-Produktionsgrenze entspricht, erfolgte mittels einer Data Envelopment Analysis. Als Mass für die erbrachten Leistungen nutzte das Forschungsteam standardisierte Spitaleinnahmen: Da alle Dienstleistungen, welche ein Spital erbringt, auch implizite Kosten verursachen und diese durch Einnahmen gedeckt werden müssen, sind die Einnahmen ein umfassendes Mass für den Output eines Spitals. Die erwirtschafteten Umsätze enthalten aber auch Unterschiede, die nicht durch die direkte Leistung bedingt sind, wie Ineffizienzen und Unterschiede bei den Betriebskosten, welche sich in unterschiedlichen Tarifen widerspiegeln. Um die direkte Leistung vergleichen zu können, wurden die Spitaleinnahmen darum standardisiert, indem sie durch die verschiedenen spitalspezifischen Tarife dividiert und mit den mittleren Tarifen multipliziert wurden.
Die Resultate der Effizienzanalyse zeigen, dass rund die Hälfte der Spitäler ihre Umwelteffizienz beinahe verdoppeln könnte, ohne den Output zu reduzieren. Es gibt jedoch grosse Effizienzunterschiede je nach Spitalbereich. Die grössten Ineffizienzen sind in den Bereichen Wärme und medizinisches Verbrauchsmaterial zu finden, während die Spitäler im Bereich Verpflegung bereits relativ effizient sind. Das grösste Verbesserungspotenzial bzw. der dringlichste Handlungsbedarf besteht aber in jenen Bereichen, die zusätzlich zur Ineffizienz starke Umweltauswirkungen zeigen. Das anteilsmässig grösste Verbesserungspotenzial ist in den Bereichen Gebäudeinfrastruktur, Verpflegung und Wärme zu finden (siehe Grafik 2).
Am einfachsten ist das Verbesserungspotenzial im Bereich Verpflegung auszuschöpfen: Ein Spital kann Nahrungsmittelabfälle reduzieren, indem es den Prozess von der Bestellung bis zum Umgang mit unangetasteten Speisen optimiert. Es kann das Angebot auf Menus umstellen, die sowohl für die Menschen als auch für unseren Planeten gesund sind. Eine solche Ernährung ist primär pflanzenbasiert mit einer optionalen, bescheidenen Menge an Fisch, Fleisch und Milchprodukten. Diese Empfehlung wurde von der EAT-Lancet Kommission vorgestellt2 und mit Rezepten wie z. B. für Wok-Gerichte, Vegi-Pizza oder Frühlingssalat fassbar gemacht.
Die grössten Hindernisse Nun stellt sich die Frage, weshalb solche Massnahmen noch nicht Standard sind: In einem Workshop und mit einer Umfrage wurden Spitalmitarbeitende dazu eingeladen, sich zu den wichtigsten Hemmnissen und Treibern von Umweltschutzmassnahmen zu äussern. Als Hemmnisse nennen die Befragten oft ökonomische Gründe wie Kostendruck oder Fehlanreize wie z. B. bei der Abrechnung von Mehrwegmaterialien im Akutbereich sowie fehlende politische Ziele und rechtliche Vorgaben. Bereits bestehende Ziele hingegen, sei es von Behörden oder vom Spital selbst, werden oft als Treiber für die Umsetzung von Umweltschutz genannt, genauso wie ökonomische Gründe. Noch häufiger bezeichnen die Befragten die Motivation der Mitarbeitenden als Treiber, aber auch, ob in einem Spital eine Nachhaltigkeitsstrategie besteht. Viele Spitäler verfügen bereits über eine solche und setzen sich für die Gesundheit der Menschen und unseres Planeten ein – die Forschenden wünschen viel Erfolg!
Dieses Forschungsprojekt wurde im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Nachhaltige Wirtschaft: ressourcenschonend, zukunftsfähig, innovativ» (NFP 73) des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) durchgeführt (www.nfp73.ch).
1Die detaillierten Ergebnisse der Ökobilanz wurden im Journal of Cleaner Produktion publiziert: https://doi.org/10.1016/j.jclepro.2021.128479
2EAT-Lancet Commission on Healthy Diets From Sustainable Food Systems. (2019). Food Planet Health: Healthy diets from Sustainable Food Systems (EAT-Lancet Commission Summary Report), https://eatforum.org/eat-lancet-commission/eat-lancet-commission-summary-report