In der Schweiz steigen die Gesundheitsausgaben pro Person und Jahr seit über 60 Jahren um fast zwei Prozent stärker als das Bruttoinlandsprodukt (BIP) (siehe Grafik). Mittlerweile erreicht der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP laut OECD 12,1 Prozent. Dieser Anteil ist höher als in allen Nachbarländern, obwohl die Schweiz das niedrigste Durchschnittsalter aufweist. Der stetige Anstieg auf insgesamt 9576 Franken pro Person und Jahr ist auf Mengen- und Preiseffekte sowie auf den veränderten Fokus des Gesundheitssystems zurückzuführen. Während in den 70er-Jahren Akutbehandlungen im Vordergrund standen, ist heute die Behandlung von chronischen Erkrankungen für 80 Prozent der Gesundheitsausgaben verantwortlich.
Der Bundesrat hat erkannt, dass es sich beim Gesundheitssystem um keinen transparenten und effizient funktionierenden Markt handelt, in dem sich das optimale Marktgleichgewicht durch das Agieren informierter Nachfrager und Anbieter einstellt. Zwei Drittel der Ausgaben werden durch die öffentliche Hand oder die obligatorische Versicherung finanziert; die Vergütung erfolgt auf Basis von regulierten Tarifsystemen.
Damit sich der Gesundheitsmarkt selbst marktwirtschaftlich regulieren könnte, bräuchte es Transparenz und eine korrigierend wirkende Nachfrageseite. Die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen ist jedoch grösstenteils unelastisch, die Selbstbeteiligungen wirken nicht bei den Personen, die für einen Grossteil der Gesundheitsausgaben verantwortlich sind, die Krankenversicherungen haben ein geringes Interesse an niedrigeren Versicherungsprämien und im Parlament sind kaum Wählerstimmen mit einer stärkeren Steuerung der Gesundheitsausgaben zu gewinnen. Hinzu kommt, dass Leistungserbringer naturgemäss ein Interesse daran haben, ihre Umsätze und Gewinne zu steigern. Ferner ist das Schweizer Gesundheitssystem im internationalen Vergleich intransparent. Diese Rahmenbedingungen führen zu Über- und die veralteten Tarife zu Unter- und Fehlversorgung.
Gesundheitssysteme können direkt über eine Regulierung der Leistungsmenge und über vereinbarte Preise bzw. Tarife und indirekt über ein Kostendach gesteuert werden. Hinzu kommen Veränderungen der regulatorischen Rahmenbedingungen, um die Effizienz zu erhöhen.
Im Jahr 2017 hat eine Expertengruppe dem Bundesrat einen Bericht mit 38 potenziellen Massnahmen übergeben. Hinzu kamen sieben Vorschläge des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI). Der Grossteil der 45 Massnahmen setzte bei den Preisen an (19 Massnahmen) und zielte auf eine bessere Versorgung und Effizienz (14) ab. Neun Massnahmen strebten an, die Menge zu verringern und drei, die Gesamtausgaben zu begrenzen (siehe Tabelle).
Der Bundesrat hat in den Kostendämpfungspaketen 1 und 2 insgesamt 16 dieser Massnahmen aufgegriffen: Acht haben eine Beeinflussung der Preise zum Ziel, fünf sollen die Versorgung und die Effizienz verbessern und zwei streben Mengensteuerung an. Hinzu kommt die Massnahme einer verbindlichen Zielvorgabe für die Kostenentwicklung in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP), die der Bundesrat als indirekter Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative der MItte weiterentwickelt hat.
Vor dem Hintergrund, dass das Stimmvolk nahezu alle Abstimmungen auf Bundesebene, die darauf abzielten, in das Gesundheitssystem einzugreifen, abgelehnt hat, wird es für den Bundesrat schwierig sein, die geplanten Massnahmen umzusetzen. Die Wiederholung des schon seit 1996 bestehenden Appells an alle Akteure, Kosteneinsparungen zu eruieren und umzusetzen, wird wohl auch diesmal nicht ausreichen. Die Chancen, ohne erhöhten politischen Druck ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erreichen, sind gering, denn weder Leistungserbringer noch Krankenversicherer haben ein echtes Interesse an der geforderten Kostenneutralität und Transparenz.
Es ist nun an der Zeit, die Herausforderung einer qualitativ guten Gesundheitsversorgung bei tragbaren Kosten gemeinsam anzugehen, statt vermeidbare Kostensteigerungen mit Steuersubventionen weiter zu kaschieren bzw. auf die Patienten abzuwälzen. Der Bundesrat stellt sich dieser Aufgabe und agiert im Auftrag der Gesellschaft, die diese Leistungen v. a. über Steuern und Krankenkassenbeiträge finanziert. Dabei fordert er insbesondere mehr Transparenz und eine angemessene Leistung für die zur Verfügung gestellten Ressourcen. Bei der Umsetzung des Kostendämpfungsprogramms zeigt der Bundesrat viel Geduld und überlässt grosse Teile der Ausgestaltung den Leistungserbringern, Krankenkassen und Kantonen. Die einzelnen Massnahmen und v. a. die verbindliche Zielvorgabe für die Kostenentwicklung sollten die Akteure nicht als Gefahr sehen, sondern als Chance, das Gesundheitswesen mitzugestalten. Denn falls sie für die steigenden Gesundheitsausgaben keine Lösung finden, wird der Bundesrat noch stärker eingreifen müssen, mit Massnahmen, die ab einem gewissen Punkt auch die Bevölkerung gutheissen wird.