Assistenzärzte
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15. Oktober 2024

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VSAO

42+4-Stunden-Woche – Für Spitäler mit Zukunft

Zeitgemässe Arbeitsbedingungen sind Voraussetzung für gut ausgebildete, gesunde und motivierte Assistenzärzt:innen. Ein wichtiger Baustein dazu kann die Einführung der 42+4-Stunden-Woche sein.
Competence Philipp Thüler

Autor

Philipp Thüler

Leiter Politik und Kommunikation, Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte (vsao)

thueler@vsao.ch

Der ärztliche Nachwuchs ist stark belastet. Aktuelle Zahlen zeigen: Assistenzärzt:innen arbeiten regelmässig viel zu lange, oft länger als das Arbeitsgesetz es erlaubt. Gemäss der jüngsten vsao-Mitgliederumfrage waren es 2022 im Durchschnitt über 56 Stunden pro Woche. Diese Belastung ist ungesund, gefährdet die Behandlungsqualität und geht auf Kosten der Weiterbildung des ärztlichen Nachwuchses. Zudem leidet die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Die Konsequenzen: Viele Assistenzärzt:innen verlassen frühzeitig ihren Beruf – das beschleunigt den Fachkräftemangel und gefährdet mittelfristig die Spitäler und Kliniken und somit unsere Gesundheitsversorgung.

Gemäss der jüngsten vsao-Mitgliederumfrage haben Assistenzärzt:innen 2022 im Durchschnitt über 56 Stunden pro Woche gearbeitet.

Der Arzt-Beruf muss attraktiv bleiben – der vsao setzt sich deshalb für zeitgemässe Arbeitsbedingungen für Assistenzärzt:innen ein, zum Beispiel mit dem 42+4-Stunden-Modell. Dieses bedeutet: Assistenzärzt:innen werden pro Woche mit maximal 42 Stunden Dienstleistung rund um die Patientenbetreuung und mindestens vier Stunden strukturierter Weiterbildung eingeplant. Anders als mit der heute immer noch vielerorts üblichen 50-Stunden-Woche kann so das Arbeitsgesetz viel besser eingehalten werden. Auch wenn Ungeplantes geschieht und mehr als die geplante Dienstzeit geleistet werden muss, wird mit der 42+4-Stunden-Woche die Höchstarbeitszeit von 50 Stunden nicht direkt überschritten.

Der Arzt-Beruf muss attraktiv bleiben – der vsao setzt sich deshalb für zeitgemässe Arbeitsbedingungen für Assistenzärzt:innen ein, zum Beispiel mit dem 42+4-Stunden-Modell.

Vorteil bei der Rekrutierung

Dass das Arbeitsgesetz besser eingehalten werden kann, ist nur eines von vielen Argumenten, das für die 42+4-Stunden-Woche spricht. 42+4 vereinfacht die Rekrutierung von Fachkräften, wozu auch die bessere Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben beiträgt. Durch die höhere Priorität für die strukturierte Weiterbildung, die mit 42+4 fix eingeplant werden muss, wird die ärztliche Weiterbildung gestärkt, was die Qualität der Gesundheitsversorgung mittel- und langfristig positiv beeinflusst. Die Sicherheit der Patient:innen steigt, denn es ist vielfach nachgewiesen, dass lange Arbeitszeiten und regelmässig anfallende Überzeit die Fehleranfälligkeit erhöhen. Ausgeruhte und motivierte Ärzt:innen behandeln Patient:innen besser.

Das 42+4-Stunden Modell sieht maximal 42 Stunden für die Patientenbetreuung und mindestens vier Stunden Weiterbildung vor.

Der vsao bietet kostenlose Beratung

Doch was sind die Voraussetzungen, damit ein Spital oder eine Klinik 42+4 einführen kann? Zuallererst braucht es einen Konsens bzw. eine Entscheidung für «42+4» auf der Führungsebene der Klinik oder des Spitals. Vor oder nach diesem Grundsatzentscheid ist eine solide Analyse der Ist-Situation gefragt, unter Berücksichtigung der folgenden Fragen:

  • Welche Sollarbeitszeit gilt aktuell?
  • Welche Arbeitszeiten sind bei den Assistenzärzt:innen in der Realität üblich? Wieviel Überzeit fällt im Durchschnitt an?
  • Warum? Wird die Zeiterfassung korrekt durchgeführt?
  • Wie ist das Angebot der strukturierten Weiterbildung? Wie gut wird es von den Assistenzärzt:innen besucht? Warum wird es gut beziehungweise weniger gut besucht?

Danach ist ein Beratungsgespräch mit einer geschulten Fachperson wichtig. Der vsao bietet dafür eine kostenlose Dienstplanberatung an – Termine können unter dem Link www.vsao.ch/dienstplanung vereinbart werden. Danach gilt es vor allem, Potenzial für Effizienzsteigerung und Bürokratieabbau zu erkennen und zu nutzen.

Zürich und Uster haben es möglich gemacht

Ebenso wichtig: Die Umsetzung von 42+4 ist als ein Prozess zu verstehen. Es wird nicht alles sofort perfekt funktionieren. Im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung sind regelmässige Feedback-Schlaufen empfehlenswert, bei denen die Erfahrungen der Assistenzärzt:innen mit der Klinikleitung geteilt und Herausforderungen angegangen werden können.

Verschiedene positive Beispiele zeigen, dass es funktioniert: Das Institut für Intensivmedizin des Universitätsspitals Zürich führte 42+4 bereits im Ja­nuar 2023 ein und wurde dafür mit der vsao-Spitalrose ausgezeichnet.

Ich bin überzeugt, dass auch in der Chirurgie zeitgemässe Arbeitszeiten möglich sind. Eine überdurchschnittlich gute und strukturierte Weiterbildung ist uns schon seit Langem ein grosses Anliegen.

Dr. med. Vital Schreiber, Stv. CEO, Departementsvorsteher Operative Disziplinen, Chefarzt Chirurgie und Viszeralchirurgie, Spital Uster

In der chirurgischen Klinik des Spitals Uster gilt 42+4 seit dem 1. August 2024. Zustande gekommen ist das Projekt auf Initiative des Chefarztes Vital Schreiber, der sagt: «Ich bin überzeugt, dass auch in der Chirurgie zeitgemässe Arbeitszeiten möglich sind. Eine überdurchschnittlich gute und strukturierte Weiterbildung ist uns schon seit Langem ein grosses Anliegen. Wir wollen chirurgischen Nachwuchs gewinnen. Mit der Einführung der 42+4-Stunden-Woche gehen wir mit gutem Beispiel für weitere chirurgische Kliniken voran.»

Mehr Informationen: www.42plus4.ch

Beitragsbild: Canva.com

   

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